Bildquellen: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/9/90/2004_0927-Suzhou_MasterOfNetGarden_PaintedMap.jpg http://chinatravelgo.com/suzhou-travel-master-of-nets-garden/
11. Tag, Sa. 22.10.11:
Nach
den großen kaiserlichen Palastgärten und Gartenanlagen lernen wir
nun zwei chinesische
Privatgärten kennen. Dass Souzhou als Ursprungsort
dieser Gartenkunst gilt, wird unter anderem durch die zahlreichen
Wasserläufe, die Pflanzenvielfalt sowie die hiesigen Steinbrüche
und Felsen im angrenzenden flachen Taihu-See erklärt. Die aus diesen
Hauptingredienzen komponierten Gärten gewannen im Laufe der
Jahrhunderte idealtypische Bedeutung für die (süd-)chinesischen
Gartenanlagen. Bescheiden in den Ausmaßen, bieten sie doch mit ihren
verwinkelten, durch kleine Innenhöfe führenden Gangsystemen
und mit vielen optisch kalkulierten Durchblicken ein unerwartet
reiches ästhetisches Gesamtbild; und sollen überdies eine Art
Mikrokosmos der naturhaften und geistigen Weltbezüge des Menschen
darstellen.
In
der Regel werden diese Gärten von hohen, den Rückzugscharakter
aus dem öffentlichen Leben betonenden
Mauern umfasst. Denn ihre Besitzer und Gestalter waren meist
wohlhabende Pensionäre und im besonderen hohe chinesische
Staatsbeamte. Mit diesen "Mandarinen" hat sich Goethes
lyrisches Ich in dem Gedichtzyklus 'Chinesisch
- Deutsche Jahres- und Tageszeiten'
(1827) wie folgt
identifiziert:
Sag', was
könnt' uns Mandarinen,/ Satt zu herrschen, müd zu dienen,
Sag', was könnt' uns übrigbleiben,/ Als in solchen
Frühlingstagen
Uns des Nordens zu
entschlagen/ Und am Wasser und im Grünen
Fröhlich
trinken, geistig schreiben,/ Schal' auf Schale, Zug in Zügen?
Mit
der Absage an den "Norden" ist der Rückzug aus den
Diensten in Beijing ("Nördliche Hauptstadt") gemeint, um
sich stattdessen etwa an den abseits gelegenen Kunming-See zur
Erholung, Muße und geistigen Beschäftigung zurückzuziehen.
Für den dichtenden und forschenden Staatsminister Goethe wurde sein
altes Gartenhaus im Ilmpark zu einem solchen Refugium.
Der
von uns zuerst besuchte "Garten
des Meisters der Netze"
(Wangshi
Yuan) wurde
Mitte des 12. Jh. unter den Namen "Halle der Zehntausend
Bücherrollen" von einem hohen Beamten des Kriegsministeriums
angelegt und nach allmählichem Verfall Ende des 18. Jh. von einem
anderen Mandarin wiedererbaut und erweitert. In Anspielung auf einen
sagenhaften chinesischen Fischer gab er der Anlage den neuen
Namen, wollte er doch seinem bisherigen Hofleben die karge
Lebensweise eines Fischermeisters den Vorzug geben. In einem
ähnlichen Lebensgefühl verklärten damals viele europäische
Intellektuelle die Existenz eines Landwirts und versuchten sich gar
wie Goethe zeitweise an der Bewirtschaftung eines bescheidenen
Landguts. Mit
nur 5400 qm ist dieser Garten der kleinste der in Suzhou erhaltenen
"Literatengärten".
Um den nahezu rechteckigen Seerosenteich lagern sich mehr als 20
Gebäude und (Stein-)Gärten, die von den wechselnden Besitzern
sukzessive ergänzt wurden. Die wohlklingenden Benennungen der
vergleichsweise kleinen Bauwerke und Szenerien unterscheiden sich
kaum von denen für die kaiserlichen Gärten und spielen wie diese
öfter auf beliebte Gedichte an.
Da
die (Internet-)Informationen über diesen Literatengarten
ungewöhnlich verworren und fehlerreich sind, beginne ich am besten
mit einem Überblick über die Namen und Funktionen der von mir
nummerierten Gebäude:
Der
Hauptzugang zu der Anlage befindet sich im Südosten (Nr. 1). In der
Eingangshalle
(2) wurden
einst die Sänften abgestellt und warteten die Diener des Hauses auf
ihren Einsatz; eine dieser Sänften steht nun unweit der oben
abgebildeten Orientierungstafel. Danach betritt man bald die "Große
Empfangshalle" (3),
zu der die männlichen Gäste geleitet wurden und in der gelegentlich
Zeremonien abgehalten wurden; in Erinnerung an den Erstbesitzer trägt
sie noch den Namen "Halle der 10 000 Bücher". In dem
Wohnhaus (4) dahinter, zu dem man auch über einen Seitenweg gelangt,
wurden weibliche Besucher empfangen. Das 2. Stockwerk dieses "Turms
der Schönheit in Reichweite"
bietet
eine ausgezeichnete Aussicht auf die Gartenanlage und weitere
Umgebung.
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