Bildquellen:
Google Maps
www.visitinvernesslochness.com/sites/default/files/2020-11/Loch%20Ness%20Centre%206.jpg
google Maps („Falls of Cruachan Waterfall“)
In
Inverness stellen wir uns vor einem Kino an, das Spielbergs ‚Jurassic
Park‘
zeigt. Die Warteschlange ist lang, und zuletzt müssen wir wie viele
andere wieder abziehen. So fahren wir denn am wenig besuchten Ostufer
des Loch Ness
entlang, auf einer traumhaft auf- und niedertauchenden Dünenstraße,
die uns an die „dippings“ entlang der mexikanischen Grenze
zwischen Tucson und Yuma erinnert. Bei Dores treten wir an den
See heran: Leichter Wellenschlag, dunkles Gewölk schräg rechts und
hinter uns, grauweißes nach vorn zur Seespitze hin, deren
Bergkuppen sich in der Ferne zartblau abheben; im Gewölk zeigt sich
bald eine leuchtend hellrote Stelle, die sich dunkler auf dem
See spiegelt. Plötzlich sehe ich rötliche Rechtecke, die auf dem
See im Halbkreisvon von links nach rechts vorbeihuschen, mehrere
Male, bis Ruth mich doch lieber zurück zum Auto holt. (Eine
Luftspiegelung? Oder ein Flimmerskotom, von dem ich in diesen Jahren
einige Male befallen wurde?)
Mittw.
28.7.93) Wir verlassen Inverness und fahren diesmal am Westufer des
Loch Ness bis zu dem Nessie-Museum.
Seit dem frappierenden Schnappschuß von 1934 (einer Fälschung
mittels eines Spielzeug-U-Boots) wird hier Forschungsgeschichte zum
Seeungeheuer auf eine angestrengt-rührende Weise vorgelegt, vom
Wort des irischen Missionars Columban an („Thou shalt go no
further, nor touch the man; go back with all speed.“)1),
über die Drachenköpf der Wikingerboote bis zu all den
Erklärungsversuchen per Teleobjektiv, Echolot, Sonar und
Stroboskop. Beim Weiterfahren am See entlang kommt mir auf einmal
wieder die angedeutete Metamorphose einer Nebengestalt aus Fontanes
Roman „Irrungen
Wirrungen“ in
den Sinn. Es ist der Schotte Armstrong, von dem es bei Fontane
heisst: „Er angle mitunter vierzehn Tage lang im Loch Neß oder im
Loch Lochy... und schliefe dann im Boot, und mit Sonnenaufgang stünd
er wieder da, und wenn dann die vierzehn Tage um wären, dann mausre
er sich, dann ginge die ganze schülbrige Haut ab, und dann hab er
eine Haut wie ein Baby.“2)
Eine
Fahrzeugschlange bildet sich, als ein schottischer LKW gut zehn
Minuten lang vorsichtig drei Radfahrern hinterherschleicht. Die drei
halten dann doch noch an und lassen den Autoverkehr passieren, wobei
der Fahrer an der Spitze in deutscher Sprache und im Klageton
erklärt, „gerade heute früh besonders gut ‘drauf gewesen“ zu
sein. Kurz vor Oban biegen wir nach Taynuilt
ab, wo wir für zwei
Übernachtungen ein kleines forsthausähnliches Hotel an der
rauschenden Awe gebucht hatten. Wir machen bald eine Ausfahrt und
passieren den Brander-Pass,
bei dem Robert the Bruce 1308 – 6 Jahre vor seinem gewaltigen Sieg
in der Schlacht von Bannockburn bei Sterling Castle – in einem
größeren Gefecht siegte. Nach wenigen Kilometern haben wir Dutzende
von größeren
und kleineren Gießbächen
zur Linken, die in
meinem Erinnerungsbild einen langen zerfransten Wasserfall abgeben.
Nach einiger Zeit halten wir an einem Kirchhof an und verwundern
uns über das hohe Alter so vieler in den beiden letzten
Jahrhunderten Verstorbener; trotz der Hungersnöte und des
endemischen Alkoholismus – wie bei Robert Burns, nach dem
inzwischen eine Whiskysorte benannt wurde – gingen hier viele
Männer auf die 90 zu, eine Frau erreichte gar 106 Jahre.
Zuletzt
kommen wir zu einem Flüßchen, das sich gabelt und bald wieder
vereint. Ein Angler kommt hinzu und wandert alle fünf Minuten weiter
stromabwärts. Ruth sucht im Wasser nach silber-, gold- und
kupferfarben schimmernden Steinen; ich beginne derweil extrem
abgeflachte Steinen zu sammeln und überflügele dann
einmal mit 15 Sprüngen meinen Rekord aus Kindertagen.
– In der Nähe unseres
Hotels schlendern wir über einen Campingplatz. In einem
Wägelchen sitzen fünf oder sechs übergewichtige Personen paffend
zusammen; wie am folgenden Tag ersichtlich, können sie es so
stunden- oder tagelang durchhalten. An einer Bude dort kaufe ich mir
ein Whiskyfläschchen; der Verkäufer bekannte freimütig, sich
in den besseren Sorten nicht recht auszukennen.
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