Weitere Klassen- und auch Spielkameraden
Manchmal
darf ich das Poesiealbum
der
einen oder anderen Klassenkameradin einsehen und bestaune die darin
eingetragenen kleinen Spruchdichtungen, bis ich merke,
daß sie durchweg abgeschrieben wurde. Öfter steht wie
bei Etta
der
Name „Goethe” darunter, so wiederholt unter dem Spruch „Edel
sei der Mensch, hilfreich und gut!” Daß sich auch Lehrer
eingestragen haben, ist mir nicht geheuer. Sind sie mit den Mädchen
verwandt oder besser bekannt, als wir anderen wissen sollen?
Überaus hübsch aber der Anblick, wenn beim Umschlagen einer Seite
meines Schulbuchs oder Schreibheftes unvermutet eines jener
Glanzbildchen vor mir liegt.
Sollte
ich sie eine Zeitlang doch selber gesammelt haben? Oder steckte sie
mir vielleicht ein Mädchen anonym zu?
Von
den meisten Mitschülern liegen mir drei Gruppenfotos
vor, außer dem mir altvertrauten aus dem 4. Schuljahr noch eines von
den Erstklässlern sowie von den Konfirmanden. Ungefähr ein
Drittel der Schüler bevorzugt wie ich selbst ein
bestimmtes Raumgeviert als Aufstellungsposition. Auch
behaupten sich einige Gesichter sehr entschieden gegen die
übliche Metamorphose vom Kind zum Jugendlichen. Andere durchlaufen
in wenigen Jahren so erstaunliche Veränderungen,
dass sie erst nach wiederholtem vergleichendem Hinschauen zu
identifizieren sind. Der eine oder andere muss schon in der
Grundschulzeit Schreckliches durchgemacht haben.
Wie
zu erwarten, habe ich die Jungen durchweg deutlicher in Erinnerung
behalten als die Mädchen, mit denen ich außerhalb des Unterrichts
fast nie zusammenkam.
Bei den
(Familien-)Namen
war ich öfter
unsicher oder irrte mich. Nach Ermittlung der richtigen Namen waren
die fehlerträchtigen Assoziationswege
meist leicht
rekonstruierbar, etwa dass ich den Nachnamen eines Politikers oder
eines Sportlers auf jemanden übertrug, der denselben Vornamen
hatte; oder dass ich zu dem falschen Nachnamen „Weiß”
schlichtweg durch das weißblonde Haar des Betreffenden verleitet
wurde. Dass mir zu einem meiner Mitschüler weder Vor- noch
Nachname einfallen wollten, mag daran gelegen haben, dass er mich
physiognomisch und in seiner sich stark zurücknehmenden
Höflichkeit seit langem schon an Franz Kafka erinnert hatte und wohl
dadurch selber allmählich namenlos wurde.
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