RÜCK- UND AUSBLICK
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hat die Tendenz der
geistigen „Entwirklichung” also dahingehend
übertrieben, daß der Mensch, der sich aus der Natur
„herausstellte” und dem die Wirklichkeit
überhaupt annihiliert erschienen wäre, angesichts
der Entdeckung
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lehnt
überlieferte Glaubensinhalte als völlig
unbegründet ab. Er verwirft jede
objektive Wahrheit und alle
sittlichen Wertvorstellungen. Ein
beliebtes Motto für nihilistische Denker stammt von
Dostojewski: ,Wenn Gott tot ist, dann ist alles erlaubt.’“
URL:
http://gemeindechristitrier.blog.volksfreund.de/2006/05/14/
wenn-gott-tot-ist-dann-ist-alles-erlaubt/
Schon
Dostojewskis Romanheld jedoch vermochte über den Nihilismus
hinaus zu denken.
Der Teufel, den der in Fieberwahn gefallene
Iwan eben noch als sein abgespaltenes Ich durchschaut hat,
argumentiert nämlich wie folgt: „Hat die Menschheit sich erst
samt und sonders von Gott losgesagt – und ich glaube, daß diese
Periode sich <...> vollenden wird – , so
werden von selbst <...> das ganze frühere Weltbild und vor
allem die ganze frühere Moral zunichte, und auf
allen Gebieten bricht Neues an. Die Menschen werden
sich zusammenschließen, um vom Leben alles zu nehmen, was es
geben kann, aber unbedingt zu Glück
und
Freude einzig und allein auf der hiesigen Welt. Der Mensch wird
sich gewaltig erheben im Geiste göttlichen,
titanischen Stolzes, und hervortreten wird der
Gott-Mensch. <...> Jeder
wird begreifen, daß er sterblich ist, ganz, ohne
Auferstehung, und wird den Tod stolz und gelassen hinnehmen
wie ein Gott. <...> Da dies aber in Anbetracht der
eingefleischten menschlichen Dummheit wohl noch in tausend
Jahren sich nicht verwirklichen läßt, so
sollte es jedem, der heute schon die Wahrheit begreift, erlaubt
sein,
sich ganz nach seinem Gutdünken einzurichten,
auf den neuen Grundlagen. In
diesem Sinne ist ihm ,alles erlaubt.’”
Fjodor Dostojewski, Die
Brüder Karamasow
(Berlin
und Weimar, 3. Aufl. 1992), Bd. 2, S. 506f. (9. Kap. des 11. Buchs)
Der
Roman Die
Brüder Karamasow
entstand 1878-80 und wurde 1884 ins Deutsche übersetzt. Im 3.
Buch von Nietzsches Die
fröhliche Wissenschaft
(erschienen 1882) wird der Gedanke vom Tode Gottes mit
ähnlicher Konsequenz als Faktum von „dem tollen
Menschen” ausgerufen, der wie einst der Kyniker Diogenes am hellen
Tag mit der Laterne auf der Suche ist: „Wohin ist
Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben
ihn
getödtet, – ihr und ich! Wir Alle sind seine Mörder!
<...> Giebt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie
durch ein unendliches Nichts? <...> Riechen wir noch
Nichts von der göttlichen Verwesung? - auch Götter verwesen!
Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben
ihn getödtet! <...> Ist nicht die Grösse dieser
That zu gross für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern
werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen? <...> Ich
komme zu früh, sagte er dann, ich bin noch nicht an der Zeit. Diess
ungeheure Ereigniss ist <...> noch nicht
bis zu den Ohren der Menschen gedrungen.”
Friedrich Nietzsche, Sämtliche
Werke. Kritische Studienausgabe,
Bd. 3 (München 1980), S. 480f. (Aphorismus 125). Vgl.
ebda. die Aphorismen Nr. 108f. und 343f.
Die
biologistische Metapher vom „Tod” Gottes dürfte auf Hegel
zurückgehen,
der im Schlußpassus seines Aufsatzes Glauben
und Wissen (1802)
das neuzeitliche christliche Glaubensgefühl
charakterisiert. Hegel spricht hier von dem