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SELBSTERFORSCHUNG. - BESUCH ALS KORREKTIV

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So sehr ich auch durch Per­spektive und Vokabular des Kin­des das Be­scheid­wis­sen des Er­wach­senen zu unterlaufen und nach Mög­lich­keit nichts hin­einzulesen suchte in die­se Bruch­stü­cke und Episoden, die ja allererst behutsam aufzulesen und zu si­chern wa­ren, so un­ver­meid­lich muß­te ich doch al­les zu­gleich in ei­nem nie dage­wesenen Zu­sam­menhang betrachten: Je besser ich mich wie­der hin­ein­fin­den konn­te in ei­ne bestimmte Lebenssituation, desto mehr schärfte sich der beglei­tende in­ter­pre­tie­ren­de Blick des Er­wach­se­nen, der sich im­mer genauer ori­entie­ren konnte, dies und das zu durch­schau­en be­gann und bald auch die ei­ne oder an­de­re Ver­hal­tens­kon­se­quenz zu registrieren hatte. Und wie sich das wei­te­re Wis­sen des Er­wach­senen um die er­in­ner­ten Sze­nen und das kindliche Selbst­be­wußtsein lagerte, so schlu­gen auch die Er­kennt­nis­affekte des Erwachsenen, vor al­lem Be­stür­zung und Ent­zü­cken über das Ent­deck­te, durch­weg schon in den Mo­ment der erinnernden Rekonstruktion ein – noch bevor es in ty­po­gra­phisch ab­ge­setz­ter Schrift kom­men­tiert und näher untersucht werden konnte. Anders als in der poetisch über­höh­ten Er­in­ne­rungs­tech­nik Prousts wa­ren mir außerdem Wie­derer­stehungserleb­nisse des damaligen Ich nicht ver­gönnt (oder doch nur mit merk­lich hal­lu­zi­na­to­ri­schem Ein­schlag). Immerhin wurden die vielen un­ter­schied­li­chen Le­bens­mo­men­te, moch­ten sie mir noch so ur­sprüng­lich oder wie fest­gewachsen auf ihrer je­wei­li­gen Al­ters- und Be­wußt­seins­stu­fe vor­kommen, durch mei­ne schrift­li­che Er­in­ne­rung zum er­sten­mal sy­ste­ma­tisch zu­ein­an­der ge­führt, wurden gemeinsam, wenn auch sukzessive, ins Be­wußt­sein des Er­wach­se­nen ge­ho­ben.


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Die möglichst in kindlicher Perspektive niedergeschriebenen Erinnerungen wurden von mir also zweifach über­prüft und er­wei­tert. Zum einen begleitete ich sie in der vom Erinnerungstext typographisch abgesetzten Re­fle­xi­on des Erwachsenen; zum an­de­ren mach­te ich mich bald nach der ersten Niederschrift daran, die ein­sti­gen Lebens­stätten wieder aufzusuchen, sie in ihrem Zeit­ko­lo­rit zu er­kun­den und außerdem die in­zwi­schen weit ver­streut le­ben­den Spielkameraden, Weggefährten und auch Lehrer nach Jahr­zehn­ten wie­der zu be­su­chen. In den Ge­sprä­chen mit ihnen beachtete ich vor allem die Momente, in denen ich wieder mit „ih­nen” in Be­rüh­rung zu kom­men glaubte, mit ihrer Persönlichkeit und der kollektiven Dimension unserer gemeinsamen Vor­ge­schich­te.

   Trotz aller möglichen äußeren Veränderun­gen und der unvorhersehbaren Lebenswege meinte ich die meisten Per­so­nen in ih­rer We­sens­art wiedererkannt zu haben und stieß nur selten einmal – immerhin! – auf einen Zug, den ich als be­wuß­te Wei­ter­ent­wick­lung, als Steigerung oder auch als Aus­druck einer massiven Selbst­kor­rek­tur hät­te deuten können. Enttäuscht war ich be­sonders


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