dem „Geist”
eine eigene psychische Stufe unmittelbar mitgegeben war (wie
dies ja schon Herder für Vernunft und Sprache geltend
gemacht hatte). Zwar nehme der Mensch in
unterschiedlichem Ausmaß an den vier unteren
biopsychischen Lebensstufen teil: am
vegetativen „Gefühlsdrang”, am
arterhaltenden starren „Instinkt”, am
beweglicheren „assoziativen
Gedächtnis” und an der „praktischen Intelligenz”,
auf der höhere Tiere wie die Primaten aus Einsicht
antizipierend handeln, wählen und auch
Umwege einschlagen können. Aber der alles
versachlichende, distanzierende,
die
Triebimpulse zügelnde und eigene
Leitkategorien entwickelnde „Geist” mache den
Menschen zum großen ,Neinsagenkönner’17
des
Lebens, der sich ,weltoffen’ verhält,
weil er nicht nur den Umweltbann bricht, sondern sich
der Wirklichkeit und ihren Kategorien Raum und Zeit
überhaupt entzieht. Diese
geistige „Entwirklichung” führe dahin,
daß der Mensch keinen Standort mehr in der Wirklichkeit
finden kann,
seine Stellung in der Welt als prinzipiell
ungesichert erfährt und in der doppelten
Erfahrung der Kontingenz alles Seienden sowie
seiner eigenen Existenz schaudernd nach der
„Möglichkeit des absoluten Nichts” frage.18
Die
religiöse oder metaphysische
Verankerung, die Scheler angesichts des
angeblich drohenden Nihilismus als Lösung
vorschlägt, ist im Grunde die zeitübliche
derer, die nach Dostojewski und Nietzsche ihre
religiöse Gebundenheit zu
hinterfragen begannen und sich das Ausmaß
der ihnen nicht mehr garantierten Normen
vorzustellen suchten. Mit einem Schlage schien
ihnen alles wegzubrechen: „Wenn
Gott tot ist, ist alles erlaubt”.19
Der existentielle
oder auch hysterische Schauder vor der neuen, in ihren
Dimensionen noch unbekannten
Selbstverantwortung des Individuums ließ
sie nahezu reflexartig nach einem neuen
überweltlichen Halt suchen. Scheler
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17
Scheler,
a.a.O., S. 55
18
a.a.O.,
S. 55 und 88
19
Iwan
Karamasows Diktum scheint noch heute als
nihilistisches Schreckgespenst
zu taugen, wie etwa aus einer Bekundung der
„Gemeinde Christi Trier” hervorgeht: „Nihilismus
beschreibt die
trübste aller Weltanschauungen, deren Anhänger
alles Absolute leugnen und an nichts glauben. Danach ist
alle Existenz nutzlos und ohne Sinn. Der Nihilist