Wim
Wenders hat die Leidensgeschichte der „Survivors” ebenso wie die
Munros stärker als John Ford in die christliche Ikonographie
eingebunden, läßt aber immer wieder die
abgewandelte Falkenklaue
„Scars”
hineinstoßen.
Der mit Ziernarben versehene Schutzhandschuh
Marks,
der bei der Tötung seiner Tochter in einer Nahaufnahme
gezeigt wird, gehört wie der triefende
Handschuh,
den Julia nach der Berührung eines knospenartigen
Auswuchses an einem Baumstamm wegwerfen
mußte, mit zu jener Handsymbolik,
die
schwere Übergriffe und Existenzbedrohliches
bezeichnet, sei es als Hinweis auf eine
mafiöse Filmwirtschaft (Mafiahand) oder auf
die entwürdigende Selbstbehauptung
beim eigenen wie beim kollektiven Überlebenskampf.
Nach der letzten Regieanweisung Munros wird
auf den Produktionsleiter und
Verbindungsmann zu Gordon geschnitten, der, jenes
Flugzeugheck im Rücken, lauthals den Abbruch der
Dreharbeiten verkündet, wobei er seine
Linke zugleich mit seiner schwarzen, immer
behandschuhten Rechten Aufmerksamkeit
heischend emporstreckt. Die
in der schwarzen Handfläche Telefontasten
gleich blinkenden Metallknöpfe,
die
dieser extravagante Schauspieler eines
Nervenleidens wegen trug, darf man an dieser Filmstelle vielleicht
als Anspielung auf
die Mutanten des soeben abgebrochenen
Films bzw. auf den unverwundbar gewordenen
Metallmenschen in Allan Dwans ,The Most Dangerous
Man Alive’ verstehen. Denn dieser war, wie auf dem
Kinoplakat
zu
sehen, bei einer Nuklearexplosion
über
seine Handschellen
kontaminiert
und
allmählich in ein Metallwesen transformiert worden.
Wenn die
Gruppe der „Survivors” endlich ihr Ziel vor Augen hat, wird sie
nicht etwa dort, am Meer, gezeigt, sondern vorerst beim
Bestaunen und Betasten des in den Sand gebohrten
kreuzförmigen
Flugzeughecks.
Und sie befindet sich immer noch dort, wenn Robert nach dem Abbruch
dieser Filmsequenz die Arme in Form der
danebenstehenden Heckflosse ausbreitet
und ausruft, daß es endlich „vorbei” sei („Ist kaum zu
glauben ... Das Gehumpel ist vorbei!” 09:42:
siehe Abbildung S.
11).
Eine Travestie
der Kreuzesszene Christi („Es
ist vollbracht!”), bei der einem die Szene von Wenders’
,Im Lauf der Zeit’ in den Sinn kommen mag, wo Robert die
Passionshaltung einer von ihrem Kreuz „befreiten”
Christusfigur parodiert. Jetzt aber findet
sich diese Geste am Ende der langen Sequenz ein,
die im Zeichen eines kommenden rücksichtslosen
Übermenschen steht.
Nur
Julia war schon zur Hotelruine vorausgelaufen und hatte die Mauer der
Terrasse überklettert. Steht sie zu Beginn des
nachfolgenden langsamen Schwenks
hinüber zum Meer noch statuarisch an der linken Bildseite,
taucht sie bei dessen Abschluß unversehens dort rechts
wieder auf! Sie nimmt ihre Schutzbrille und -maske
ab und sagt: „Jetzt haben wir ein Zuhause
gefunden.” Wie höhnisch daraufhin das
Gekreisch
eines Raubvogels droben, den sie mit den Blicken
sucht,
sich dabei immer weiter zurücklehnend,
bis auf einmal erschreckend laut die Brandung zu hören ist und sich
zugleich von hinten her ein Mann mit flatterndem
schwarzem Haar so tief über sie beugt, daß ihr Gesicht
überschattet wird!
Nachgespielt
wird hier wohl, auch dank Patrick Bauchaus wundervollem
Indianerprofil, der Schockmoment beim Erscheinen
des anderen Raubvogels, des „Schwarzen
Falken”,
als dessen Schatten sich über die Versteck suchende Debbie legt. –
Der
Schock ist jetzt um so unerhörter, als ,The Survivors’
bis dahin nicht als Film im Film kenntlich war und erst in
diesem Moment „gerahmt” wird.7
Und
noch im selben Augenblick wird der Film dem Horizont
des Regisseurs Munro und seiner Crew entzogen,
zugewiesen dem ambivalenten
Hollywood, das von einem John Ford ebenso wie von der
anonymen Korruption der Filmindustrie
geprägt werden konnte.
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