konzentriert
zuhört. Er bedankt sich zuletzt knapp und geht, ohne auf den Inhalt
zurückzukommen, auf ein anderes Thema über. – Sollte ihn das
Leitargument meines Referats verletzt haben? Es lautete
nämlich, daß keiner „menschlichen Handlung, die ihren Ursprung in
irgendeiner außermenschlichen Größe hat ... Sittlichkeit oder
Unsittlichkeit zugesprochen werden” könne; daß
außerdem die Annahme eines allmächtigen Gottes und die
Annahme menschlicher Willensfreiheit einander ausschlössen.
In
unserer „Arbeitsgemeinschaft
Philosophie”
gibt
sich „Egon” Hebel bewundernswürdig Mühe, legt uns
hektographierte Auszüge aus Texten von Platon, Descartes, Kant,
Hegel oder Nicolai Hartmann vor und sucht uns durch vorbereitete
schematische Zeichnungen begriffliche Zusammenhänge durchsichtiger
zu machen. Auch streifen wir – wie ich meinen Unterrichtskladden
entnehme – psychologische und anthropologische Randgebiete wie die
Charakterlehre und Neurologie. Besonders bei
erkenntnistheoretischen und
metaphysischen Fragen hat er in der Diskussion öfter seine liebe Not
mit meinen nachdrängenden Fragen und Bemerkungen und erklärt mir
einmal nach Ende der Stunde, dass
dem propädeutischen Philosophieunterricht an der Schule leider
gewisse Grenzen gezogen seien.
Enttäuscht
bin ich darüber nicht, habe ich doch schon in Heinz-Jürgen Maas,
der später wie ich Philosophie studieren will, jemanden gefunden,
mit dem ich philosophische Streitgespräche bis
hin zur existentiellen Selbstbehauptung führen kann. Und weiß zudem
längst, dass solchen Problemen nicht im Gespräch, sondern nur im
schriftlich sich vortastenden Denken annähernd gerecht zu
werden ist. Meine Ungeduld, die „Egon” Hebel glaubt
beschwichtigen zu müssen, ist elementarer, liegt in der Sache
selbst, im Fragen und Weiterfragen, das nun einmal nicht zur Ruhe
kommen und so etwas wie ein „Ergebnis” der Unterrichtsstunde
nicht akzeptieren will. So bin ich mir auch dessen bewusst, dass es
meine eigentliche, die Schule übersteigende Reifeprüfung ist, die
ich in diesem Philosophieunterricht absolviere.