Quelle: http://internettrash.com/users/murnau/murrr17.jpg
Die
Möglichkeit einer Rückkehr in den Zeitraum der Vergangenheit
dementierte Wim Wenders schon in ,Alice in den
Städten’ (1974),
wo das „Haus der Oma” sich zwar noch aufspüren läßt, längst
aber von Fremden bewohnt wird. Wie unwiederbringlich der Verlust
ist, offenbart die im Geiste von Nicholas Rays ,The Lusty
Men’ gedrehte
Episode in ,Im Lauf der Zeit’ (1976), in der Bruno Winter auf
einer Rheininsel bei Bacharach im verwaisten Haus der
Mutter noch einmal eine schmerzliche Nacht verbringt. Daß
„Zuhause” eine widerrufliche
und womöglich kurzfristige Lebenskonstellation ist,
dämmert im ,Stand der Dinge’
Munros
Kindern, die sich vorzustellen suchen, was sie
wohl nach dem Tod des Vaters täten („woanders
hinziehen”). Die Selbstironie der mobilen
Filmschauspielerin Joan („Zuhause
ist, wo die Rechnungen ankommen”) wird in kosmopolitischer
Einstellung von Munro überboten, der beim
Hollywood-Boulevard am Telefon erklärt: „Ich bin
nirgendwo zuhause, in keiner Stadt, keinem Land”.
Wie Wenders in seiner Dankesrede für den
Murnau-Preis 1991 erwähnt,12
ist dies ein Zitat, eine auf Tahiti niedergeschriebene
Notiz von Friedrich Murnau, dessen Namen ja
Munro als Anagramm trägt.
Diese für Munro
längst illusorische Sehnsucht nach einem unschuldigen
Konformismus, nach Geborgenheit und solidarischem Schutz
vor dem Leben draußen hat allerdings auf verkappte Weise
bei seinem Gegenspieler Gordon und dessen
Auftraggebern überlebt. Sie verlangen von ihm eine
einfache sinnstiftende „Geschichte”,
obgleich es so etwas im Leben nicht geben kann. Munro hat
dies schon in seiner Ansprache vor der Crew klargemacht:
„Geschichten existieren gar nicht, außer in
Geschichten selbst. Im Leben ist es völlig
Wurscht – und ich zitiere mich selbst – , ob es vergeht
und dabei zu Geschichten wird, oder nicht ... Während
das Leben vorbeigeht, im Laufe der Zeit, ohne den Drang,
Geschichten zu werden ...” (31:36-32:17) Anna,
deren freie Wiedergabe seines Ausspruchs auf
einer Serviette zu lesen ist, setzt diesen Gedanken in
derselben Nacht gegen ihren Geliebten Mark
als Déjà-vu-Umschreibung ein („was eine
Geschichte mit dir wäre, weiß ich schon”).