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1:53:14

Draußen ist es längst hell geworden. Der Wohnwagen hat den Hollywood-Boulevard verlas­sen, und als die beiden sich vor einer „Ali­ba­ba”-Figur um­ar­men, peitscht ein Schuß und wird Gordon in den Rücken getroffen. Munro, vom Fal­len­den hinuntergezogen, reißt im Kni­en sei­ne Su­per-8-Ka­me­ra hoch – hinter ihm sein über Nacht verräterisch ab­ge­stell­tes „SAM SP8”-Auto – und rich­tet sich aus der Ho­cke all­mäh­lich auf, dreht sich su­chend mit pi­sto­len­gleich vor­ge­hal­te­ner Ka­me­ra in einem Halbkreis, wobei die Filmkamera seinen Rund­blick wie so­li­da­risch aus der Per­­spek­ti­ve sei­ner Su­per-8 zeigt. Er scheint nichts gesehen zu haben und läßt die Kamera sin­ken. Es folgt ein Schnitt zu dem da­lie­gen­den Gor­don, der von sei­nem Da­ckel be­schnüf­felt wird, und zurück zu Munro, der gleich danach er­schos­sen wird. Er bricht über Gor­don zu­sammen, wäh­rend die Film­ka­me­ra in schnel­ler Suche erneut jenen Halb­kreis ab­fährt – und noch ein Stück­chen wei­ter nach hin­ten, wo man nun am Stra­ßenrand eine schwar­ze Li­mou­si­ne er­kennt. Wie­der wird zu Mun­ro ge­schnit­ten, der noch im Lie­gen sei­ne Ka­me­ra hochzuhalten sucht. Im Um­schnitt be­kommt man nun in ei­ner ver­kipp­ten Su­per-8-Auf­nah­me mit, wie die schwar­ze Li­mou­si­ne los­fährt und mit quiet­schen­den Rei­fen wen­det. Mun­ros Ka­me­ra folgt ihr nicht mehr, son­dern bleibt auf den As­phalt ge­rich­tet, wo­bei noch ein wei­te­res Au­to jenseits ins Bild kommt und gleich danach eines diesseits, das nach ein, zwei Se­kun­den als Stand­bild fest­ge­hal­ten wird, als wä­re das Au­ge die­ser Kamera gebrochen. Ra­sches Abblenden.

 

***

 

Fällt Munro mit der Kamera in der Hand, so in der ironischen Schwebe zwischen vorge­zeich­­ne­ter Bestimmung und fak­ti­schem Zufall oder Ver­se­hen (in Hollywood am richtigen Ort, doch im fal­schen Moment mit einer „falschen Be­we­gung”). Er fällt so kaum anders als der von ihm in Sin­tra pa­rodierte todessüchtige ,Hamlet’-Verehrer Doc Hol­li­day, der im un­gün­stigsten Moment von seinem Hustenanfall er­wischt wird und sich gleich­wohl wie Munro noch ein­mal zum Schuß hoch­rap­pelt. Wer die gewisse Ironie darin verkennt und über­haupt die Dif­fe­renz zwi­schen dem Re­gis­seur Mun­ro und Wen­ders so wie jene zwischen Gor­don und Coppola, kommt bald zu halt­lo­sen Fol­ge­run­gen. R. Ph. Kol­ker und P. Bei­cken, die in ih­rem Filmbuch über Wenders immer wie­der gute Beobachtungen zum Inhalt und Ge­halt brin­gen, aber zu der ge­nu­in künst­le­ri­schen Di­men­si­on eines Films enttäuschend wenig zu sagen ha­ben, schei­nen zu glau­ben, daß Wen­ders Mun­ros Tod mit dem ei­nes ar­gen­ti­ni­schen Ka­me­ra­man­nes in Guzmáns ,Batt­le of Chi­le’ (1975) gleich­set­zen wollte, der un­frei­wil­lig die ei­ge­ne Li­quidation (Pistolenschuß) durch das Mi­li­tär do­ku­men­tier­te. Und sie deu­ten de­mentsprechend Munros Ende als ästhe­ti­sche Ka­pi­tu­la­tion von Wen­ders selbst: „His ex­pe­ri­ence with Cop­po­la must sure­ly have convinced him that the time of the art film and his pre­vi­ous life as a sen­si­tive, subjective filmmaker were over”. „After ,The State of Things’, Wen­ders begins a descent from mod­ern­ism in­to me­lo­dra­ma and then in­to the postmodern mode”.14 Da­ge­gen möch­te ich in meiner ,Ham­mett’-Ana­ly­se zei­gen, daß Wen­ders sei­ne künstle­ri­sche Sub­jek­ti­vi­tät und Ei­genwilligkeit sogar unter diesen Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen zu be­haup­ten ver­stand, in­dem er sich auf sei­ne weit­hin im­mer noch ver­kann­te kryp­ti­sche Dar­stel­lungs­wei­se kon­zen­trier­te.

   Wenders’ Lebenswerk wird man sicherlich gerechter, wenn man Munros Tod als Variante des „To­des der Kamera” auf­faßt, den Wen­ders 1969 in ,Alabama (2000 Light Years) insze­nierte. Dies in einer Empathie mit dem ster­ben­den Hel­den, die aber schon da­mals auf kei­ne my­sti­sche Iden­ti­tät mit dem Filmemacher Wim Wenders hin­aus­lief. So daß man nun auch an­mer­ken darf, daß sich in jener frü­hen Gang­ster­fi­gur und auch in der an­de­ren in ,Same Play­er Shoots A­gain’ (1968) bei ikonographisch genauerer (kryptischer) Lesart ei­ne Chri­stus­ge­stalt ab­zeich­net. Und daß man in Mun­ro, des­sen Tod sich im Standbild seiner Super-8-Ka­mera widerspiegelt und mit dem zu­gleich die­ser Film sein En­de fin­det, ei­ne ver­wand­te Mär­ty­rer­figur erblicken kann, die für ihre Überzeugung fällt. In den Um­stän­den eher zu­fäl­lig zwar, da­für aber gei­stig in dop­pel­ter Front­stel­lung ge­gen das krude Lebensrecht des Stär­ke­ren (,The Sur­viv­ors’) und ge­gen die von Hol­ly­wood ge­för­der­te Flucht aus dem Le­ben und der Ver­ant­wor­tung.

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