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Fingergestik im Nachtflugzeug nach Hollywood (1:24:16)


Denn wenn Munro für den Film eine „Geschichte” ablehnt, dann gewiß nicht einfach deshalb, weil das Leben – wie er in Sintra er­klärt – auch keine Geschichte kennt, würde dies doch be­deuten, daß sich der Film den Re­geln des Lebens zu unterwerfen hätte. Das wä­re eine nicht minder kunstfeindliche Haltung als es die es­ka­pi­sti­sche Ten­denz im System Hollywood ist. Dessen Klischees, ge­gen die vor al­lem die europäische Kritik der Kul­tur­in­du­strie so lan­ge und wenig erfolgreich Sturm lief, bedient nun Gordon wäh­rend der nächt­li­chen Fahrt durch Hol­ly­wood mit Aus­dauer und treibt dadurch Munro zu einer Klärung der eigenen künst­le­ri­schen Po­si­ti­on. In dieser zeichnet sich ein fundamentales Dilemma der Filmästhetik überhaupt ab. Daß Munro in seinen An­fän­gen „von Ein­stel­lung zu Ein­stellung” arbeitete, um seinen (Spiel-)­Filmen nur ja nicht das Leben auszutreiben, er­­klärt sich da­her, daß er für die im­mer über­ra­schen­de, sinnlich sich darbietende Realität und das Eigenleben ih­rer Sze­ne­ri­en offen bleiben woll­te. Er konn­te in je­ner nicht-nar­rativen Radikalität aber nicht einfach wei­ter­ma­­chen, denn oh­ne ei­ne geistig strukturierende „Ge­schich­te” droht der Ver­fall an ei­ne Bildlich­keit, die nicht über sich und den Mo­ment hin­aus­weist, nur noch narzißtisch an sich sel­ber Wohl­ge­fal­len fin­det und ei­ne Ein­stell­ung gleich­gül­tig an die andere reiht. Es ist dies ein altes Dilemma für den Filmemacher Wim Wen­ders selbst.15 Die „Angst”, die den zu­letzt er­zähle­risch nur zu versierten Munro am Abend vor dem Drehen überfiel, be­schlich einst auch den Re­gisseur von ,Im Lauf der Zeit’ (1976), doch bei dem anderen Extrem. Bei seiner Ad­ap­ta­tion von Goe­thes ,Wil­helm Mei­ster’ in sei­nem Film ,Fal­sche Be­we­gung’ (1975) hatte er die „Zwänge ei­ner Ge­schich­te” er­fah­ren und wollte sich nun an ei­nem für al­les be­din­gungs­los of­fenen „Reisefilm” versuchen. Auf die­sen Ver­such spielt Munros Wort an, daß „das Leben vor­bei­geht, im Lau­fe der Zeit, oh­ne den Drang, Ge­schich­ten zu wer­den” (32:06-16). Wenders versuchte ja sogar, für seinen Film ,Im Lauf der Zeit16 oh­ne Dreh­buch aus­kom­men und er­leb­te da­bei bald den Horror des Orientierungsverlustes, wußte von dem ei­nen Dreh­tag zum nächs­ten nicht mehr weit­er und suchte verzweifelt nach einem nur halbwegs plausiblen Fortgang.

   Als ein „Korsett”17 hinwiederum empfand er den Umstand, daß sein ,Hammett(1982) im Jahre 1928 spielte und ihm die beim Dre­hen so wichtige Spontaneität kaum mehr erlaubte. Dafür hat er, wie ich im nach­fol­gen­den Es­say zei­gen möch­te, in die­sem wohl am stärk­sten un­ter­schätz­ten sei­ner Fil­me ei­ne andere Werkdimension vertieft. Sein The­ma näm­lich, wie jemand zu einem Schrift­stel­ler wird und sich bei ihm Re­a­li­tät und Fik­ti­on ver­wir­ren, er­laub­te es Wen­ders selbst, sich in seiner eigenen Filmsprache auf die Mehr­bö­dig­keit der er­zäh­le­ri­schen Phan­ta­sie zu kon­zen­trie­ren und sich in literatur- und filmgeschichtlichen Anspielungen zu er­ge­hen, wie es nur bei ei­nem Kri­mi­nal- und Dreh­buch­autor wie Hammett möglich war.


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