ERSTER LEBENSRAUM: ERINNERUNGSAUTOMATISMUS ENTLANG DEN ERLEBNISSZENEN
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ich
dorthin mit dem Fahrrad immer wieder zum Spielen zurück.
Die unmittelbare
Umgebung des Hauses ist darum besonders dicht mit
Erinnerungsbildern belegt.
Je weiter ich mich von diesem Zentrum entferne, desto größer werden
die Zwischenräume ohne eigentliche
Erinnerung (dort hielt ich mich ja auch seltener auf) und desto öfter
treten Auffälligkeiten in Straßenführung
oder Häuserbau an die Stelle eigener Erlebnisszenen.
Zudem drängt sich mit zunehmender Entfernung
und Erlebnisleere leicht etwas sehr viel später Gesehenes und
Erlebtes in den Zeitraum „Kindheit” ein. Daß dieser
aber im
Zentrum beinahe ohne störende Einmischung
anderer Lebenszeiten
zur Erinnerung kommen kann, dürfte im wesentlichen
dem erwähnten visuellen
Automatismus zu verdanken
sein: Versetzt man sich in eine bestimmte Erinnerungszeit,
sei es „Kindheit”, „späte Jugend” oder
„Gegenwart”, hält sich die einmal in Gang
gesetzte Raumerkundung trotz der ihr möglichen
„Schwenks” ziemlich verläßlich in der
gewählten Zeitdimension durch. Trotz
kleinerer räumlich-szenischer Sprünge tastet sie sich
streckenweise und mit „eigenem”, immer
mit erscheinendem Horizont vor, läßt sich
deshalb auf bauliche und andere
Veränderungen kaum einmal ein und blockiert
dadurch die dazugehörigen
Erinnerungsszenen jener anderen
Zeiträume.
Wie
zu sehen war, mischen
sich aber gerne Phantasievorstellungen in die Erlebnisszenen
ein, oft Leseeindrücke,
die sich auf assoziativem Wege mit
bestimmten Szenen verknüpft haben.
Warum und zu welchem Zeitpunkt diese Verknüpfung stattfand
und seit wann sie zum Erinnerungsrepertoire gehört, ist nur
noch selten herauszubekommen. Von dem
,Sterntaler’-Mädchen
betrachtete ich einst wirklich an dieser Stelle
eine farbige (blau-goldene?) Abbildung,
die einer Haferflocken-Packung
(„Köllnflocken”?) beigelegt war. Für mich
bedeutsam und erinnerbar aber wurde diese
Szene zweifellos nur in Assoziation mit Gittis
traurigem Schicksal (sie starb im März 1952, gerade
acht Jahre alt); eine Assoziation,
mit der sich später noch Andersens Mädchen
mit den Streichhölzern als sachliche und
genreverwandte Assoziation
verband (das Märchen las ich um 1953/54).
Und
noch eine weitere, sehr viel später gebildete Assoziation hat sich
neuerdings hinzugesellt: Wie ich 1990 von Gittis Stiefvater,
meinem kriegsversehrten Onkel, erfuhr, lernte ich in diesem
Rondell laufen oder vielmehr spazierengehen, indem ich mich
an einer seiner Krücken festhielt. Diese Information hat sich
inzwischen als vages Raumgefühl – ohne
eigentliches Erinnerungsbild –
an der Stelle niedergeschlagen, wo schon Eiswagen,
Kinderwagen und die Hinkelkästchen (Hinkeln
auf einem Bein!) angesiedelt sind. Eine
Stelle, die eine wunderliche Anziehungskraft
gewonnen hat.
Solch
wesentlich später herangeholte oder herbeigeflogene Assoziationen
können sich durch andere verstärken und allmählich
so dominant werden, daß
die ursprünglichen Erlebnisse daneben verblassen
und als Erinnerungsszenen schließlich
verschwinden. Dies scheint der zweiten liebvertrauten
Spielumgebung meiner frühen Kindheit in dem kaum drei Kilometer
entfernten Niederrhein-
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