MICHEL DE MONTAIGNE
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mie
und der Logik seiner Zeit … weil sie sich weigern, den
‚Mobilismus’ der Welt, in der alles
Bewegung, ‚Schaukeln’, Diversität
und Unvollkommenheit ist, in Betracht zu ziehen”.24
So
waren es immer
wieder nichtzünftige Denker und Schriftsteller wie Goethe
und Stefan Zweig,
die Montaignes geistigen und
kulturgeschichtlichen Rang erfaßten. Zweig,
der erst in der Emigration zu Montaigne hinfand,
erkannte in ihm einen fernen vorbildlichen
Schicksalsgenossen, der sich in der damaligen
barbarischen Zeit der Religionskriege allein durch die
Nichtbeteiligung im Rückzug auf sich selbst
behaupten konnte. „Dieser Kampf Montaignes um
die Wahrung der inneren Freiheit, der vielleicht
bewußteste und zäheste, den je ein geistiger
Mensch geführt, hat äußerlich nicht das geringste
Pathetische oder Heroische an sich.”25
Zumal Montaigne nicht müde wird, auf die eigenen
Absonderlichkeiten,
Inkonsequenzen und Schwächen
hinzuweisen; wunderlich in ihrer sozial
isolierenden Tendenz schon die
Erziehung des Vierjährigen
durch einen des Französischen unkundigen
deutschen Lehrers, der mit ihm über zwei Jahre hin
nur Latein sprach, was noch verstärkt wurde durch das
väterliche Verbot, innerhalb der
Familie und in der weiteren dörflichen
Umgebung Französisch mit dem Knaben zu
sprechen. Montaigne scheint diese Benachteiligung jedoch
später ebenso zu einem mentalen Vorteil
sublimiert zu haben wie sein schlechtes Gedächtnis,
zu dem Stefan Zweig in seinem biographischen
Fragment anmerkt: „Diese Schwäche … ist in
Wirklichkeit seine
Stärke. Sein Bei-nichts-stehen-bleiben,
was ihn zwingt, immer weiter zu gehen. Nichts ist für
ihn abgetan. Er sitzt nicht auf seinen
Erfahrungen, er erwirbt kein Kapital,
von dem er zehrt, sondern sein Geist muß es sich immer
weiter erobern. So wird sein Leben ein ständiger
Erneuerungsprozeß … Immer ein
anderer immer derselbe.”26
Für
die Renaissancehumanisten Pico della Mirandola und Michel de
Montaigne sind es allein ethische Normen, die dem
freien selbstverantwortlichen
Individuum über die nunmehr drohende Orientierungslosigkeit
hinweghelfen und ihm allererst eine Lebensführung
erlauben. Während Pico noch verallgemeinernd
von „uns” redet, auch wenn er den Menschen in seiner
Individualität meint, sagt
Montaigne öfter und entschiedener „ich”
und spricht auch vom – freilich unergründlichen
– „Ich
selbst”. Ebenso
strikt individualisiert
er das neue Prinzip der menschlichen Offenheit, indem er
als letzte Richtinstanz dieses
selbstverantwortlichen Wesens allein das persönliche
Gewissen gelten läßt. Da nach seiner Lebenserfahrung
jeder Mensch alle Menschen gestalthaft in sich trägt,
bleibt die
Instanz des Gewissens
nicht im Banne beliebiger Präferenzen
des einzelnen, sondern kann als Entscheidung
eines urteilsfähigen
Individuums auch allgemeinverbindlich
werden.
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24
Maclean,
a.a.O., S. 107. Vgl.
auch S. 99 zu Montaignes Erschütterung der
„anerkanntesten
Oppositionen seiner Zeit: innerlich/äußerlich,
Ding/Bild des Dings, das Ich/der Andere, Akzidens/Wesen,
Notwendigkeit/Zufall, Essenz/Existenz oder Sein.”
25 Stefan Zweig, Montaigne (6. Aufl.
Frankfurt/Main 2005), S. 14 26 Zweig, a.a.O., S. 56f.
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