PICO DELLA MIRANDOLA
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Du
wirst von allen Einschränkungen frei nach deinem
eigenen freien Willen, den ich dir überlassen habe,
dir
selbst deine Natur bestimmen.
In die Mitte der Welt habe ich dich gestellt, damit
du von da aus bequemer alles ringsum betrachten
kannst, was es auf der Welt gibt. Weder als einen
Himmlischen noch als einen Irdischen habe
ich dich geschaffen und weder sterblich noch unsterblich
dich gemacht, damit du wie
ein Former und Bildner <’plastes et
fictor’> deiner selbst
nach eigenem Belieben und aus eigener Macht zu
der Gestalt dich ausbilden kannst, die du
bevorzugst. Du kannst nach unten hin ins Tierische
entarten <’degenerare’>, du kannst aus eigenem
Willen wiedergeboren werden
<’regenerari’> nach oben in das
Göttliche.”1
Pico besteht auch
in eigenen, nicht nur rollensprachlichen Formulierungen
darauf, daß sich das mit einem freien Willen begabte
„Chamäleon” Mensch allererst die zu ihm
passende Gestalt geben müsse: „Wir sind geboren
worden unter der Bedingung, daß wir das sein
sollen, was wir sein wollen.”2
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1
Giovanni Pico della Mirandola, Rede
über die Würde des Menschen/Oratio de hominis
dignitate,
hg. und übersetzt von Gerd von der Gönna (Stuttgart
1997), S. 9 2
a.a.O., S. 13 („nati sumus
condicione, ut id simus, quod esse volumus")