BILDER FONTANES GEGEN DEN TOD. VOM VERSTECKSPIELEN ZUM KRYPTISCHEN ERZÄHLEN
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konform
den Spielregeln in diesen gesellschaftlichen Kreisen mühelos
beilegen kann.51
Der
religiösen Transzendenz wie zum Hohn läßt sich der sexuelle Raub
des Lieblingsverstecks als Transaktion abwickeln;
bis endlich die neue Familie aus der Zwischenzeit ihres Berliner
"Inkognitos" (Kap. 19) heraustreten darf und, in
zeitgemäßer Aufhebung der Ausweisung aus dem Paradies, die
„Gesellschaft ... das große Hinrichtungsschwert wieder in die
Scheide" steckt und die beiden "gesellschaftlich wieder
aufleben" dürfen.52
*
Der
Mutterleib als Ort des Sündenfalls sicherte hier zugleich effektiv
die Zuflucht für das Neue und erlaubte dem Paar so etwas wie
die Unschuld einer Zwischenexistenz oder sozialer Zeitenthobenheit.
'Schach
von Wuthenow.
Erzählung
aus der Zeit des Regiments Gensdarmes'
(1882)
vertieft die ästhetisch inspirierte Suche nach einer unzeitgemäßen
Existenzform. Transzendiert wird hier nicht bloß der
vorübergehende gesellschaftliche Tod, sondern der
einer ganzen Zeitepoche und sogar, der Tendenz nach, der steril
gewordene Ordnungsbegriff des "Zeithorizonts" selbst. Die
Korruption des nachfridericianischen Militärs
und die im Horizont von Jena und Auerstedt besiegelte Untergangsreife
dieser Gesellschaftsform ist ausgemacht und bedarf
erzählerisch nur der Skizzierung solch eitler Albernheiten wie der
"Sommer-Schlittenfahrt", mit der sich die Offiziere des
damaligen Eliteregiments ins Stadtgespräch bringen wollen. Das
Hauptinteresse des Erzählers aber gilt Schach
als einer gebrochenen Figur, die
in
der Konventionalität ihrer politischen Überzeugungen, ihrem
Bedürfnis nach traditionsbewußter Repräsentation wohl zu
jener Clique gehört, in ihrer ästhetischen und zölibatären
Berührungsscheu sich
aber der eigenen Lebensgrundlage als Offizier entfremdet und von
ihrer Zeit abkapseln läßt.
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51
"Fontane hat einen
seinerzeit stadtbekannten Berliner Gesellschaftsskandal, nach dessen
Fortgang sich sogar der Reichskanzler zu erkundigen pflegte,
aufgegriffen und … weitgehend den Umständen getreu verarbeitet …
Der kunst- und sinnenfrohe Louis Revené ist dem flüchtenden Paar an
den Genfer See … nachgereist und hat versucht, seine Frau zur
Rückkehr zu bewegen, und dies unter gleichzeitiger Präsentation
eines kostbaren Halsschmucks und der Versicherung, er wolle alles
vergessen und das … Kind …als sein eigenes adoptieren".
Irmela von der Lühe, '"Wer liebt, hat recht." Fontanes
Berliner Gesellschaftsroman "L'Adultera"'. In:
'Fontane-Blätter',
Heft 61 (1996), S. 116-133; Zitat S. 120f. 52
N IV, 106 und 121
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