BILDER FONTANES GEGEN DEN TOD. ›HERR VON RIBBECK AUF RIBBECK‹
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Das
in der Schule gelernte Gedicht 'Herr
von Ribbeck auf Ribbeck'
(1889)
war für mich, den Zehn- oder Elfjährigen, der erste Zugang zu
Fontane. Unter all der golden glänzenden und so spendablen
Herzlichkeit war da eine tiefere und etwas ungehörige
Anziehungskraft zu verspüren; verlockte doch die Zauberfrucht, die
dem Jungen und kameradschaftlich auch der "lütt Dirn"
angeboten wurde, zum Zauberer selbst, seiner Stimme nach, die zuletzt
aus diesem Birnbaumversteck herüberdrang. Unheimlich daran war, wenn
dies auch vom Kind nur zu verspüren war und als Bild nicht weiter
ausgemalt wurde, wie die Frucht aus dem Totgesagten herauskommt.
Und
verführerisch zog sie einen hinweg von den Erwachsenen und ihren
sattsam bekannten, halb nur verstandenen Mahnungen, sich ja nur
in acht zu nehmen vor solchen Anträgen.
Erst
dem selber Erwachsenen konnte die versteckte Argumentation dieses
weitherzigen Spenders aufgehen: Daß
also die Ribbecksche Solidarität mit den Kindern
weit
über das Überlisten der Erben von Fleisch und Blut hinausdrängt;
daß die witzige Wendung gegen die herkömmliche Abfolge der
Generationen und ihre Besitztitel einen
auch metaphysischen Charakter hat.
Dieser erscheint, unausstehlich beinahe, in dem zur Aussöhnung mit
dem Tode hartnäckig angebotenen uralten Bild
einer Palingenese,
hier als Weiterleben im Naturkreislauf von dem Moment an, als der
Alte just zur Reifezeit sein Ende fühle, bis hin zu diesem Flüstern
in dem der Leiche entwachsenen Birnbaum.1
Buchstäblich
genommen, wäre dies eine grässliche anthropophagische Zumutung.
Erträglich und neu verlockend wird es als Doppelspiel, das sich
sowohl gegen die "Feiergesicht"-Gläubigkeit derer wendet,
die da zur Beisetzung des Alten anzutreten und zu singen haben "Jesus
meine Zuversicht", als auch gegen die üblichen planen
Überlieferungs- oder Fortschrittsdoktrinen. Wie sich nämlich bei
Fontane das Alte aus dem Sarkophag des "stillen Hauses"
hervorarbeitet und neuen Segen zu stiften vermag, läßt sich ja
sowohl als
irdisches Gegenbild zu dem leeren, auf ein Jenseits vertröstenden
Grab der Christen als auch zu den Geschichtsmodellen auffassen,
die das Vergangene als ein Erledigtes abtun oder es zu ihrer wesenlos
gewordenen "Vorgeschichte" herabsetzen.
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1
In ihrem
Bilderbuch für das Vorschulalter (illustriert von Marta Koci) trägt
die Baumkrone "Züge des pausbäckigen Gesichts" des
Beigesetzten. Vgl. Thomas Küpper, '"... leuchtet’s wieder
breit und weit". Zur Popularität der Ribbeck-Ballade'. In:
'Fontane-Blätter' 67 (1999), S. 106-121; Zitat S. 108
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