BILDER FONTANES GEGEN DEN TOD. VERSTECK UND ZEITENTHOBENHEIT
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Bildquelle: Hans-Heinrich Reuter, ›Fontane‹ (Bd. 1, München 1968), Abb. bei S. 112
auch
ein eigenes Zeitgefühl aufkommen, das eines utopischen
Zeitvorsprungs
während
dieser elitären Absenz im
Swinemünder Versteck.65
"
... 'Und wenn sie dich suchen bis an den Jüngsten Tag, sie finden
dich nicht.' Und sie fanden mich
auch
wirklich nicht, gaben zuletzt alles Suchen auf, brachen das Spiel ab
und gingen in die Küche,
wo sie
... unter Verwünschungen gegen mich ihr Vesperbrot verzehrten. Ich
aber, wenn ich an dem
Stillwerden
in Hof und Garten merkte, daß man die Jagd auf mich aufgegeben
hatte, wand mich aus
meinem
Heuloche wieder heraus und erschien nun unter ihnen mit dem Ausdruck
höchster Gering-
schätzung.
Ich
tue wieder die Frage, worin wurzelt da das Glück?"66
Wie
stand es um die analoge Chance für den Romancier Fontane, eines
Tages ähnlich lässig aus dem Versteck hervorzutreten?
Was er da vor allem in seinen Ehebruchsromanen verschlüsselt erzählt
hatte, war zumindest zu seiner Zeit aus zwei Gründen nicht offen
auszusprechen. Die Thematisierung der Sexualität
hätte so, ohne
die verborgene sexualsymbolische Erzählweise, in der
vorfreudschen Viktorianischen Ära ein hohes existentielles Risiko
für ihn bedeutet. Schon die heute recht harmlos wirkenden erotischen
Zweideutigkeiten in manchen seiner Dialoge ließen nicht allein seine
Zeitgenossen immer wieder den Vorwurf des Anzüglichen und
"Unsittlichen" in seinem Werk erheben,
vielmehr vergraulte die auch im persönlichen Kontakt ungewöhnlich
freizügige Sprache Fontanes sogar
Schriftstellerkollegen wie Gerhard Hauptmann und Theodor Storm.67
Der
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Eine kollektive
Prägung besaß das andere berühmte Versteck des Knaben, die bei
Heringsdorf gelegene "Störtebeckers Kul",
in die sich Fontane zusammen mit seiner "Truppe" von
Spielkameraden zurückzuziehen liebte und von dem sich sein letztes
großes Romanprojekt 'Die Likedeeler' herschreibt.
Im 17. Kapitel von 'Meine
Kinderjahre' stellt
er das Versteck vor: "Dies war ein tiefes Loch, richtiger ein
mächtiger Erdtrichter, drin der Seeräuber Störtebecker ... mit
seinen Leuten gelagert haben sollte. Gerade so wie wir jetzt. Das gab
mir ein ungeheures Hochgefühl: Störtebecker und ich! ... Die 'Kule'
war sehr tief und bis zu halber Höhe mit Laub vom vorigen und
vorvorigen Jahre überdeckt. Da lag ich nun an der tiefsten Stelle,
die wundervollen Buchen über mir, und hörte, wenn ich mich bewegte,
das Rascheln des trockenen Laubes, und draußen rauschte das Meer. Es
war zauberhaft. Nur meine Truppe verdroß mich beständig, denn jeder
einzelne ... stellte mir [mit
seinem dort verzehrten Naschwerk] die
gewöhnlichste Prosa des Lebens wieder vor Augen." (N XIV,
173f.)
66
N XIV, 166
67
Vgl. das Kapitel '„Die
wahre hohe Schule der Zweideutigkeit“: Frivolität in Fontanes
Romanwerk.' In: Christian Grawe, '„Der
Zauber steckt immer im Detail". Studien zu Theodor Fontane und
seinem Werk', 1976-2002, Dunedin 2002, S. 190-213.
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