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Proust. Doppelgänger
Selbsterweiterungen
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
VI GERMANISTICA
DARSTELLUNGSTECHNIK

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ZUR DARSTELLUNGSTECHNIK

   

Meine Kindheitserinnerungen[1] zeichnete ich in einer chronologischen Anordnung auf, die so locker gehalten war, dass ich immer wieder zu thematischen Gruppierungen übergehen konnte. Viele beiläufige Szenen und Empfindungen nämlich wären ohne sol­che Sammelpunkte wie „Kinofilme und Kinos” oder „Kleines ABC der Süßigkeiten” überhaupt nicht mehr zur Erinnerung ge­kom­men. Diese Anordnung hatte den Vorteil, dass sie frei von Verknüpfungszwängen war und vor allem den Fragmenten aus früher Kind­heit am besten gerecht wurde. – Für die Großgliederung in Zeiträume hielt ich mich an unsere Wohnungswechsel.


Bei der Erinnerungsarbeit stützte ich mich immer auch auf Photographien. Sie waren meist ziemlich genau datierbar, ermöglichten in ihrem realistischen Detailreichtum allerdings oft kaum mehr als ein Wiedererkennen, das nur gelegentlich Erinnerungen im en­ge­ren Sinne freisetzen konnte. Den vielen fahlen, verwischten oder fragmentierten Erinnerungsbildern suchte ich in meiner Be­schrei­bungs­spra­che möglichst nahe zu bleiben, fand die Szenen aber oft schon mit Vokabular aus einer deutlich späteren Zeit belegt, und sei es nur mit einer so simplen technischen Bezeichnung wie „Ofenklappe”, die ich als knapp Dreijähriger vermutlich noch nicht kannte, aber in meinem Erinnerungsbild als solche, funktionell, vor Augen habe. In derartigen Fällen versuchte ich kei­ne künstliche Naivität zu entwickeln, zumal solche sprachlichen Überarbeitungen durchaus erst in späterer Kindheit oder Jugend er­folgt sein dürften (allenfalls kennzeichnete ich ein mir damals zweifellos nicht geläufiges Wort durch Spitzklammerung).

   Ein nützlicher Schutz hingegen vor gedankenlosen und unnötigen Anachronismen wie den abstrakten Bezeichnungen des Er­wach­senen war der erwähnte Gebrauch des Präsens, das ebenso wie die wechselnden kindlichen Anredeformen für die Eltern oder wie ein schlichter Satzbau die Aufmerksamkeit auf die Perspektive des Kindes wachhielt. Ich mochte mir damit freilich noch so viel Mühe geben, so war es doch selbstverständlich immer der Erwachsene, der seine Erinnerungen beschrieb und auch die Be­ob­ach­tun­gen des Kindes nun gemäß seinem weit entwickelteren Sprachgefühl vortrug.

   Reflexionen über das Erinnerte oder auch ergänzende Bemerkungen Dritter hob ich von dem eigentlichen Erinnerungstext ty­po­gra­phisch durch diese Kursivschrift deutlich ab.

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[1] Horst Fleig, Odyssee in die Kindheit. Selbstversuch zur Erinnerungsbeschreibung (2., stark veränderte Aufl. bei ‚Books on Demand’ (Norderstedt 2006); 263 S. Der vorliegende Essay resümiert die Vorüberlegungen und Nachbetrachtungen jener au­to­bio­gra­phi­schen Aufzeichnungen.

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