ERINNERUNGSSPRACHE
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oder
minder fest umrissenen Bedeutungsinhalte der Wörter ein von vornherein
widersprüchliches Gebilde vorgelegt, das sich wohlgeordnet gibt und auf
das gleichwohl die Vorstellungskraft eines jeden Lesers anders
ansprechen muss? Und ist diese doppelte Ungenauigkeit nicht der Preis
für eine weithin mögliche Allgemeinverständlichkeit? So dass man die
besonders sinnfällige sprachliche
Brutalität bei der Wiedergabe von Kindheitserinnerungen allenfalls
durch eine „perspektivisch” bewußte Darstellungsweise dämpfen
könnte? Reflektiert und schlicht zugleich hätte ihre Sprache zu
sein, müsste sich
vor allem im Vokabular und auch im Satzbau auf die
mentale Einfalt der erinnerten Lebenszeit und deren Vokabular
einlassen.
Dies um so inniger, als die weithin verklungenen Bezeichnungen, etwa
die wechselnden kindlichen Anredeformen für die Eltern, ihrerseits
eine erinnerungsträchtige Magie
bewahrt haben dürften.
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Nach all diesen
Vorüberlegungen begann ich sogleich, meine Kindheitserinnerungen
systematisch aufzuzeichnen. Wo sich etwa eine (räumlich-)serielle
Erinnerung anbot, war sie als solche beschrieben, doch unter
Beachtung der in ihr sich anmeldenden Einzelszenen, die –
wie zuletzt das Kartenspielen oder die Lektüre unserer „Heftchen”
– noch hinsichtlich ihrer möglichen Eigenständigkeit
zu betrachten waren. Dabei zeichnete sich schon bald ab, dass die
Unterscheidung zwischen serieller und singulärer
Erinnerungsszenerie
eher idealtypischen Charakter hat, dass unterschiedliche
Einzelerinnerungen den einen seriellen Hintergrund immer wieder
durchscheinen lassen können und dass umgekehrt so mancher Impuls,
der von einer seriellen Erinnerung ausgeht, dann doch nicht mehr
szenisch lebendiger einzulösen ist, vielmehr eingebettet bleibt in
jenen umfassenderen Wahrnehmungshintergrund,
der, immerhin, so noch letztes schwaches Zeugnis von dem
Verschollenen ablegen kann.
Seriellen
Grundcharakter mit singulären Einlagerungen haben
übrigens
auch jene großen schematischen Raumerkundungen, in denen ein
zentraler Lebensbereich wie mit einer inneren Kamera abgefahren
werden kann und der Blick zugleich, wie besonders deutlich für mein
frühkindliches Rondell zu sehen war, von Einzelszene zu Einzelszene
gleiten oder hüpfen mag. Gewiss sind die Wohnbereiche
in späterer Zeit längst nicht mehr so wichtig wie in der frühen
Kindheit, als wir
noch, mehr oder minder unter Aufsicht, fester an die häusliche
Umgebung gebunden blieben. Und doch haben sich selbst dann noch regelmäßig Phantasieszenen angelagert,
in denen auch die fundamentalen seelischen Konflikte des jeweiligen
Zeitraums ihren Ausdruck fanden. Wie überhaupt die Phantasie bei der
Erinnerungsbildung und der gleichzeitigen (unbewussten)
Interpretation des Erlebten eine so diskrete wie eminente Rolle
spielt.
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