HELMUTH PLESSNER
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Für
Plessner ist das menschliche Individuum, das in diesem dreifachen
Weltverhältnis von Außen-, Innen- und Mitwelt lebt, nicht
mehr bloß „Ich”
(so
heißt der Fluchtpunkt der Innenwelt), sondern
ist umfassender als „Person”
zu
bezeichnen. – Plessner belässt es nicht bei dieser
Schematisierung der Stufen des Organischen, sondern wendet sich im
abschließenden Teil noch spezieller dem Menschen zu, für dessen
Existenz er drei
antinomische „anthropologische Grundgesetze”
formuliert,
„das Gesetz der natürlichen Künstlichkeit”, „das Gesetz der
vermittelten Unmittelbarkeit” und „das Gesetz des utopischen
Standorts”. Für
meine Leitfrage nach der Weltoffenheit des Menschen und ihren
möglichen Grenzen
sind
dies die wichtigsten Thesen Plessners:
Lebt
das Tier unreflektiert aus der Mitte seines Leibes heraus, so hat der
Mensch sein Leben zu führen und hat „sich zu dem erst zu machen,
was er schon ist”.51
Er ist von Natur künstlich, konstitutionell angewiesen auf die von
seinesgleichen geschaffene Sphäre der Kultur, in der er selber
rastlos Leistung auf Leistung setzt und so seine eigentliche
Lebenssphäre permanent erweitert und zu überbieten trachtet. Dieses
„Leistungswesen”52
agiert dabei aber nicht orientierungslos, denn es kann
ohne Normen und ohne Gewissen nicht existieren und hemmt und zähmt
sich dadurch selbst. Vermittler
zwischen sich und die Objekte ist
sein „Wissen”,
über das ihm freilich in der Reflexion „die Immanenzsituatiion
des Menschen, die Gefangenschaft in
seinem Bewußtsein” aufgeht und damit eine weitere Gebrochenheit
seines Weltbezugs.53
Der Immanenz entgegen steht die
„Expressivität”
als eines
menschlichen Lebensmodus,
zu dem das Gestaltungsbedürfnis und das auf Öffentlichkeit
gerichtete Mitteilungsbedürfnis gehören.54
Jede geistig-schöpferische Leistung ist als Resultate dieser
Expressivität eine „Ausdrucksleistung”. Trotz seines
unablässigen Bemühens sind die Normen und geistigen
Intentionen des Menschen aber nie adäquat zu verwirklichen, er kann
scheitern und erreicht allenfalls eine Annäherung an das Erstrebte.
Deshalb muss er als Lebewesen kompromissfähig
sein und ist
berechtigt und verpflichtet, sich immer wieder
aufs neue zu versuchen.
----------------------------------------------------------------
51
a.a.O., S. 310 52 a.a.O.,
S. 320 53 a.a.O., 328-333 54 a.a.O., S. 322f.
- 36 -