BILDER FONTANES GEGEN DEN TOD. VERSTECK UND GEGENZEITIGKEIT
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Bild- und Textquelle: www.newyorker.com/magazine/2011/03/07/heroine-addict
Indem
aber das Verschwinden jener Gewaltformen, gegen die Fontane sich in
verschlüsselter Sprache gewandt hatte, sein Erzählen in
unserer Zeit überhaupt erst vernehmlich werden ließ, sind
diese Texte auch in Widerspruch mit sich selber gekommen: Was sie in
sich verkapselten als den ihrer Gegenwart unzugänglichen
Zeithorizont, hat sich streckenweise wie von selbst
erledigt.
Soweit jedenfalls, wie sie resigniert und vor ihrer Zeit
kapituliert hatten, kommen diese kryptischen Zeitdiagnosen
selber zeitbefangen zum Vorschein.
Vermochte
der Knabe Theodor einst stundenlang in seinem Versteck zu verharren,
so hielt also der Romancier den Druck, unter dem diese gegenzeitigen
Textdimensionen entstanden sind, über Jahrzehnte hinweg aus und
baute sie zu einer regelrechten Tiefentektonik aus.
Der Vorwurf, er
könnte sich darin eingegraben und für jedes geschichtliche
Gespür abgetötet haben, wäre Fontane jedoch als letztem zu machen.
Wie aufmerksam er das vorherrschende Geschichtsgefühl registriert,
zeigt sich gerade auch in kryptischer Lesart in seiner sehr
eigentümlichen Manier, die Konflikte der Zeitromane in historischen
oder mythologischen Einkleidungen vorzutragen, in
Bildern und szenischen Abfolgen, wie sie den Zeitgenossen als
legitimer oder auch unverbindlich schmückender Bildungsbesitz wohl
vorschweben mochten. Dabei
verwendet Fontane eben die Anachronismen und reaktionären
Selbststilisierungen, welche seine Charaktere meist selber im Munde
führen und legt sie den Etappen ihrer Katastrophe ironisch zugrunde:
Schach und
Victoire exerzieren Stationen des Luther-Dramas nach, aus dem sie
zusammen eine Liedstrophe vorgetragen hatten; in den christlich sich
absichernden jüdischen Finanzierskreisen von
'L'Adultera' wird
der Ehebruch vor allem durch eine Reihe von Szenen aus dem Alten und
Neuen Testament wie der Simson-Fabel vorbereitet, Holk in
'Unwiederbringlich' muß
seine Ehe nach und nach dem verschlüsselt erzählten Poseidon-Kultus
zum Opfer bringen, Cécile wird für den allzu weltläufig sich
dünkenden Techniker Gordon zur tödlich verkannten Sphinx, und die
Abkömmlinge einstiger Größe erscheinen vampyrhaft oder in
Spottgestalt bei denen wieder, die wie die Petöfys, Briests und
Poggenpuhls eine noch substantielle Familientradition hinter sich
glaubten.
In der
kryptischen Erzähldimension der Ehebruchsromane zeichnet sich
darüber hinaus für den Untergang und Tod der
Hauptcharaktere eine tiefgründigere Argumentation ab. Indem
Ehebruch und gewalttätige Beilegung strikt und detailbesessen
zurückgeführt werden auf die Fundamente dieser
Gesellschaft, widerspricht der Erzähler der Auffassung, der Tod sei
ein individuelles Schicksal. Er interpretiert ihn vielmehr als einen
zeittypisch-bornierten Prozeß und im Grunde als Selbstmord
einer historischen Lebensgestalt.
Nun
hat Fontane in der "manifesten" Erzählversion der
Zeitromane seines letzten Jahrzehnts den Immobilismus
und Verfall des preußischen Feudalismus auch in dessen ökonomischen
Grundlagen immer dramatischer dargestellt. Etwas
Analoges
läßt sich für seine
kryptische Phantomsprache verfolgen, da Fontane seine