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BESUCH ALS KORREKTIV:  WIEDERSEHEN  UND  -ERKENNEN  NACH  JAHRZEHNTEN

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An seiner plötzlich gepressten Sprechweise glaubte ich auch, nach 36 Jahren, einen anderen Weggefährten deutlich wie an keiner anderen Stelle unseres Gesprächs wiedererkannt zu haben. Bei ihm war es aber nicht die erregte Vorstufe einer Gewalttätigkeit, sondern im Gegenteil ein Sichentspannen oder Sichgehenlassen nur Sekunden nach Aufhebung unserer Unterredung. Bis dahin suchte er, der schon beim ersten schriftlichen Kontakt beteuert hatte, dass die damalige Zeit für ihn seit langem keine Rolle mehr spiel­te, sich meinem Empfinden nach entschlossen unter Kontrolle zu halten, erklärte so seine Erinnerungen für weitgehend ge­löscht, sprach durchweg aus einer belustigten Distanzhaltung heraus, ging mit keinem Satz auf seinen damaligen Alters- und Wissensvorsprung ein und lobte öfter wie erstaunt mein Erinnerungsvermögen. Vor allem an seinem wiederholten Auflachen, das für mich nicht stimmig war, glaubte ich all dies als eine Verstellung durchschauen zu können, für die er übrigens gute und von mir von vornherein akzeptierte Gründe hatte; eine Verstellung, zu der ich durch eine allzu offensive briefliche Erklärung zu den Motiven meiner Erinnerungssuche beigetragen hatte.

    Kaum hatten wir uns nun nach dem Gespräch erhoben, unterlief er ihm doch noch, dieser Rückfall in eine eigenartig ge­press­te, kaum einen Satz lang durchgehaltene Sprechweise, die vielleicht eher eine Art Aufsplitterung war, aus der mir einige alt­ver­trau­te Nuancen entgegen sprangen. Ich konnte sie nicht benennen oder einer bestimmten Gemütslage zuordnen, erkannte dar­an aber auch, wie sehr er sich vorher zurückgenommen und, von seinem Witzeln abgesehen, in welch routinierter Monotonie ei­nes Erwachsenen er gesprochen hatte. Und bedauerte zutiefst diese trockene, zu flüchtigen Einwänden neigende Manier, die nichts mehr von seiner für mich einst brillanten Nervosität zu erkennen gab. Dafür musste ich an die knappe Charakterisierung des Jugendlichen zurückdenken, die ich Jahre zuvor einmal zu Papier gebracht hatte: „ ... er hatte freilich etwas Verhohlenes, sei­ne knappen Seitenblicke fielen mir auf, ich weiß nicht, ob aus Zurückhaltung oder eher aus einem heimlichen Kontrollbe­dürf­nis”. Beiläufige Wesenszüge, die sich anscheinend auf Kosten jener anderen verstärkt hatten, auch wenn sie durch meine schriftliche An­kün­di­gung, auf einer prekären Recherche zu sein, nun besonders stark herausgefordert wurden. Von solch längeren Er­klä­run­gen, die nicht zuletzt mein latent schlechtes Gewissen als Vivisezierer unserer Gespräche beruhigen sollten, ließ ich bald ab und deu­te­te denen, die ich besuchen wollte, meine weitergehenden Absichten nur noch eben an.


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