RÜCK- UND AUSBLICK
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ohne
Rückweg allerdings zu überholten, wenn auch liebenswerten Stadien
wie der antiken „unbefangenen Art, die Welt anzusehen”.14
Für
Herder kann dieser permanente, dank der Überlieferung relativ
gesicherte Zugewinn nur zum Guten führen und besteht seiner
(Glaubens-)Überzeugung nach einzig und allein darin, dass „mit der
Zeitenfolge auch die Vernunft und Billigkeit unter den
Menschen mehr Platz gewinnen und eine
daurendere Humanität befördern”.15
Max
Scheler gehörte
zu den wenigen (pan-)theistisch orientierten Denkern des 20.
Jahrhunderts, die auch für das postmetaphysisch orientierte Denken
anregend blieben, weil sein Konzept
einer „absoluten”
Weltoffenheit
des
Menschen für anthropologische Theoretiker wie Helmuth Plessner
eine Herausforderung bedeuten musste. In rein biologischer
Betrachtung verwirft Scheler jede theoretische Annäherung vom Tier
her an den Menschen, da dieser naturhaft nur ein „krankes,
zurückgebliebenes, leidendes Tier” sei und in seiner
„Lebensrichtung” in eine „Sackgasse” geraten
wäre.16
Eine
Rettung „dieser organisch so schlecht angepaßten Art” war für
ihn nur möglich, weil mit
dem „Geist” eine eigene psychische Stufe unmittelbar mitgegeben
war (wie dies ja schon
Herder
für Vernunft und Sprache geltend gemacht hatte). Zwar nehme der
Mensch in unterschiedlichem Ausmaß an den vier unteren
biopsychischen Lebensstufen teil: am vegetativen „Gefühlsdrang”,
am arterhaltenden starren „Instinkt”, am beweglicheren
„assoziativen Gedächtnis” und an der „praktischen
Intelligenz”, auf der höhere Tiere wie die Primaten aus Einsicht
antizipierend handeln, wählen und auch Umwege einschlagen können.
Aber der alles versachlichende, distanzierende, die
Triebimpulse zügelnde und eigene Leitkategorien entwickelnde „Geist”
mache den Menschen zum großen ,Neinsagenkönner’17
des
Lebens, der sich ,weltoffen’ verhält,
weil er nicht nur den Umweltbann bricht, sondern sich der
Wirklichkeit und ihren Kategorien Raum und Zeit überhaupt entzieht.
Diese
geistige „Entwirklichung” führe dahin, dass der Mensch keinen
Standort mehr in der Wirklichkeit finden kann,
seine Stellung in der Welt als prinzipiell ungesichert
erfährt
und in der doppelten Erfahrung der Kontingenz alles Seienden sowie
seiner eigenen Existenz schaudernd nach der „Möglichkeit des
absoluten Nichts” frage.18
Die
religiöse oder metaphysische Verankerung, die
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14
a.a.O., S. 412-414 15
a.a.O., S. 411
16
Max Scheler, Die
Stellung des Menschen im Kosmos
(7. Aufl. Bern und München 1966), S. 61f.
17
Scheler,
a.a.O., S. 55 18
Scheler,
a.a.O.,
S. 55 und 88
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