Quelle für den Bildausschnitt: www.kulturraum-favoriten.at/stumm&laut/stumm&laut8.htm
Munro hingegen hat diesen Gedanken nun in dem großen Streitgespräch zu behaupten, das er mit Gordon in dem „Concord”-„Wohnmobil” führt. Eigentlich, so Gordon, hätten die ihn verfolgenden „Zinswucherer” gar nicht so Unrecht. „Eine Geschichte wollten die, sonst nichts ... und zwar in Farbe”. Er hätte sie damals mit der Erklärung überzeugt: „Ich hab ’ne Geschichte, ,The Survivors’. Handelt vom Überleben. Wir wollen doch alle überleben, oder?”
Unversehens bedient sich Gordon dann der Metaphorik des schützenden Hauses: „Eine ganz alte Leier: Ohne Geschichte bist du aufgeschmissen. Ein Film ohne eine Geschichte, das hält nicht. Genauso gut könntest du ein Haus ohne Mauern bauen ... Filme brauchen Mauern, Friedrich. Es geht nicht ohne Mauern, verstehst du?” Munro, der jetzt zum ersten Mal neben ihm auf dem Rücksitz zu sehen ist und nur noch die aufgestapelten Filmrollen zwischen sich und Gordon hat, entgegnet: „Warum Mauern? Der Raum zwischen den Personen kann die Decke tragen ... den Raum zwischen Menschen.” Gordon: „Du sprichst von Realität. Scheiß doch auf die Realität! Wach doch endlich auf! Im Kino geht’s nicht so wie im Leben. Davon haben die Leute schon genug. Die wollen Ablenkung.” Bei diesen Worten greift sich Gordon ans Herz und beginnt mit seinem penetranten „Hollywood”-Song, geht aber im Liedtext wiederholt auf den nachfolgenden Monolog Munros ein. Das Gesicht abwendend und die Handflächen so gegeneinander pressend, dass sich alle zehn Finger abspreizen, zieht dieser seine künstlerische Bilanz: „Ich hab zehn Filme gemacht, Gordon. Zehn Filme. Und immer habe ich die gleiche Geschichte erzählt. Zu Anfang war es ganz einfach. Da ging’s von Einstellung zu Einstellung. Aber jetzt habe ich Angst, am Abend vorher. Jetzt weiß ich, wie das Erzählen geht. Unweigerlich läuft den Geschichten das Leben aus. Und sie sind tot, unweigerlich tot. Geschichten haben einfach zu viel Regeln ... Tod. Das ist die große Geschichte. Davon handeln sie alle. Todesboten.” Auch er war sich derweil übers Herz hingefahren und umfasst nun zum ersten Mal Gordons Arm, der nur noch entgegnet: „Der Tod, Friedrich, darum dreht sich doch im Grunde genommen alles in dieser Welt. Nur Liebesgeschichten sind noch größer.” (1:49:36-1:51:31)
Fritz Lang erläuterte 1965, wie er dieses Salomo-Wort für seinen Film ,Der müde Tod’ (1921) einsetzte und wie es die Frau verkennt, die ihren vom Tode zu sich genommenen Geliebten retten will: „Die Handlung spielt zwischen den zwei Glockenschlägen einer Turmuhr um Mitternacht. Sie hat das Hohelied Salomos gelesen, in dem es heißt: ,Die Liebe steht stark wie der Tod ...’ In ihrem Verlangen glaubt sie nun, die Liebe sei stärker als der Tod, also kämpft sie, und der Film erzählt die Geschichte dieser drei Kerzen <der Lebenslichter dreier Menschen>. Alles, was das Mädchen unternimmt, um ihren Geliebten zu retten, bringt ihn dem Tod näher – ein Kampf gegen das Schicksal”.13)