Wie
Munro das geschätzte Buch so innig an sich drückt, deutet
schon auf sein Ende hin, den tödlichen Schuss
direkt ins Herz. In der nachfolgenden Sturmnacht streift er mit den
Fingern behutsam an einer Kinderzeichnung entlang, die ein Herz im
Herzen zeigt; und fährt erneut über seine Herzgegend hin, wenn er
drüben Gordon gestehen muss, dass sein eigener Inszenierungsstil
mittlerweile zur Routine erstarrt sei: „Jetzt weiß ich, wie das
Erzählen geht. Unweigerlich läuft den Geschichten das Leben aus,
und sie sind tot. Unweigerlich tot.” (1:49:36-1:50:39)
Zu diesen und weiteren Zeichen des Scheiterns und Untergangs gehören
auch Annas Verhängen des Spiegels, der nächtliche Anblick des
riesigen Hotelschwimmbads, an dessen Flanke wieder einmal ein Brecher
hereinschlägt, oder Munros Metapher: „Die Sonne sah ich sinken –
wie ein Schiff”. Und ebenso der jämmerlichste, um so tiefer
berührende Anblick eines Flugzeugs bei Wim Wenders: ein
Nachtflugzeug mit Munro an Bord, das neben der Mondsichel
winzig wie nur ein Insekt sich am Bildrand davonmacht (1:24:08-14).
III.
Interludium am Hollywood Boulevard
In
Los Angeles hat Munro seinen Mietwagen in einer streifenförmig
markierten Parkbucht vor dem Hochhaus mit Gordons Büro abgestellt.
Im Gespräch mit dessen Sekretärin beobachtet er von
oben, wie sein Wagen von einem Cabrio umkreist wird und schüttelt
die Verfolger danach durch jene raffinierte Achterschlaufe
ab.
Wenig
später inszeniert Wim Wenders eine
der filmgeschichtlich subtilsten Sequenzen
für
jemandes Todesverfallenheit. Die Szenerie liegt beim Hollywood
Boulevard, „nur eine Autostunde entfernt ... von dem
Ort, an dem Murnau zu Tode gekommen ist”, wie Wenders dies selber
einmal kommentierte.5)
Friedrich
alias „Fritz” Munro hat sich auf dem Parkplatz bei der
Kreuzung von Hollywood Boulevard und Vine Street mit Dennis’
Freundin verabredet und tritt vom Münztelefon einige Schritte zurück
auf den „Walk of Fame”: Wie er bemerkt, ist er auf den wie in ein
Grabmonument eingelassenen fünfzackigen Regisseurs-Stern
seines
zweiten Namensvetters getreten, seines
in Hollywood künstlerisch weithin aufgeriebenen Vorgängers
Fritz Lang.
Nach dem
Umschnitt blickt die Kamera vom Auto des Wartenden hinaus zu einem
Mädchen hinüber, das zwischen den Parkstreifen auf Rollschuhspitzen
rückwärts einhertänzelt; mit seinem Zopf und
flatternden weißen Schal erinnert es sowohl an Munros Tochter Julia
in ,The
Survivors’
als auch an Debbie in John Fords ,The
Searchers’.
Von Beginn dieser Szene an ist ein Glockenspiel mit dem Big-Ben-Motiv
zu hören und im linken Rückspiegel seines Autos der obere
kreuzförmige Teil eines Telegraphenmastes
zu sehen. Der Gegenschuss auf Munro zeigt, dass er die Augen kaum
noch aufzuhalten vermag und dass sein Kopf dann beim
letzten Schlag des Glockenspiels
zurück
gegen die Lehne fällt. Als Dennis‘ Freundin an den im Cabrio
Hingesunkenen heranfährt, zeichnen sich im Hintergrund dieser
Totalen die Stechpalmen-Hügel mit dem bekannten Schriftzug
HOLLYWOOD
ab.
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