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VI GERMANISTICA



Filmset am Atlantik für die Szenen, die das „Glitzern” in Julias Augen zeigen sollen (10:32)



Fritz Lang (Mitte) und Godard (rechts) auf Capri am Filmset für die
Odysseus-Szene in LE MÉPRIS (1:37:52)
Sogar der Drehort für diese Szene wird dann filmgeschichtlich eingeordnet. Es ist die Terrasse der Hotelruine ARRIBAS, die in der Nähe des Cabo da Roca liegt, am westlichsten Punkt des europäischen Festlandes.9) Während der Probe für die zentrale Szene, in der Anna das Licht in Julias Augen entdeckt, legt sich zunächst in (Com­pu­ter-)Schreib­ma­schi­nen­schrift die Titelei mit all den Credits Zeile um Zeile über die auf dieser Terrasse versammelte Crew: Nach der Kopfzeile „EIN FILM VON WIM WENDERS” füllen schließlich die Namen aller Beteiligten den Bildkader weithin aus. Der Filmtitel selbst aber wird nicht wie üblich mitgeliefert oder gar als erstes dargeboten, sondern zeitlich und räumlich davon ab­ge­setzt. Erst nach einem Schwenk hinüber zu dem im Sand steckenden Flugzeugheck und nach weiteren Zwischenschnitten legt sich der Filmtitel ,Der Stand der Dingeüber den An­blick der von dem illoyalen Drehbuchautor Dennis verlassenen Schreibmaschineso als hätte niemand mehr etwas mit diesem „STAND zu schaffen oder wäre dafür ver­ant­wort­lich zu machen.


Wim Wenders hat diese singuläre Katastrophe in den größeren Zusammenhang der zeitgenössischen Filmproduktion und -ästhetik eingebettet, indem er hier offensichtlich auf die Schluss­sze­ne von Godards Film ,Le mépris’ (1963) anspielt. In diesem von Wenders bewunderten Film sehen wir Munros zweites Alter Ego Fritz Lang auf der Terrasse der auf einem Ca­pri­fel­sen liegenden Villa bei einer Probe für seinen Film ,Odysseus’. Soeben hat sich der lange Zeit ungetreue Drehbuchautor Javal (Michel Piccoli) von seinem Regisseur ver­ab­schie­det, als dieser die Szene drehen lässt, wie der heimkehrende Held mit erhobenem Schwert gen Ithaka blickt.

   Zeigt nun Wenders mit der Terrasse einen ebenfalls am Meeresrand exponierten Set mit den nämlichen üblichen Requisiten, so dürfte das über eine flüchtig grüßende Hommage weit hinausgehen. Denn thematisiert wird hier wie dort ein fundamentaler Konflikt zwischen Produzent, Regisseur und Drehbuchautor. Der bei Godard sich dreist in die Regiearbeit ein­mi­schen­de amerikanische Produzent Prokosch (Jack Palance) ist ja wirklich schon ein anderer „Godfather”, der sich sogar ein göttliches Selbstgefühl attestiert und entsprechend ka­ri­kiert wird. Freilich führt er sich hierbei eher wie der ungeschlachte Sohn von Odysseus’ Todfeind Poseidon auf, wenn er im Zorn wie einst Polyphem eine Filmrolle statt eines Fels­bro­ckens knapp vorbei an Fritz Lang schleudert.

   Die Filmrollen, die Gordon in seinem Wohnmobil zwischen sich und Munro gestapelt hat, werden noch einmal an dieses Machtspiel erinnern. Während Fritz Lang aber in Godards Film seiner Devise treu bleiben und nach Prokoschs Unfalltod auch den Film zu Ende bringen kann, muss Munro seinem Produzenten in den Tod folgen.


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