Sogar
der
Drehort für diese Szene
wird
dann filmgeschichtlich eingeordnet.
Es
ist die Terrasse der Hotelruine
ARRIBAS,
die in der Nähe des Cabo da Roca liegt, am westlichsten Punkt des
europäischen Festlandes.9)
Während
der Probe für die zentrale Szene, in der Anna das Licht in Julias
Augen entdeckt, legt sich zunächst in
(Computer-)Schreibmaschinenschrift die
Titelei mit all den Credits Zeile um Zeile über die auf dieser
Terrasse versammelte Crew: Nach der Kopfzeile „EIN FILM VON WIM
WENDERS”
füllen
schließlich die Namen aller Beteiligten den Bildkader weithin aus.
Der Filmtitel selbst aber wird nicht wie üblich mitgeliefert oder
gar als erstes dargeboten, sondern zeitlich und räumlich davon
abgesetzt. Erst nach einem Schwenk hinüber zu dem im Sand
steckenden Flugzeugheck und nach weiteren Zwischenschnitten legt sich
der Filmtitel ,Der
Stand der Dinge’
über
den Anblick
der von dem illoyalen Drehbuchautor Dennis verlassenen
Schreibmaschine
– so
als hätte niemand mehr etwas mit diesem „STAND”
zu
schaffen oder wäre dafür verantwortlich zu machen.
Wim
Wenders hat diese singuläre Katastrophe in den größeren
Zusammenhang der zeitgenössischen Filmproduktion und -ästhetik
eingebettet, indem er hier offensichtlich auf die Schlussszene
von Godards Film ,Le
mépris’
(1963) anspielt. In diesem von Wenders bewunderten Film sehen wir
Munros
zweites Alter Ego Fritz Lang
auf der Terrasse der auf einem Caprifelsen liegenden
Villa bei einer Probe für seinen Film ,Odysseus’.
Soeben hat sich der lange Zeit ungetreue Drehbuchautor Javal (Michel
Piccoli) von seinem Regisseur verabschiedet, als
dieser die Szene drehen lässt, wie der heimkehrende Held mit
erhobenem Schwert gen Ithaka blickt.
Zeigt
nun Wenders mit der Terrasse einen ebenfalls am Meeresrand
exponierten Set mit den nämlichen üblichen Requisiten, so dürfte
das über eine flüchtig grüßende Hommage weit hinausgehen. Denn
thematisiert wird hier wie dort ein fundamentaler Konflikt
zwischen Produzent, Regisseur und Drehbuchautor.
Der bei Godard sich dreist in die Regiearbeit einmischende
amerikanische Produzent Prokosch (Jack Palance) ist ja wirklich schon
ein anderer „Godfather”, der sich sogar ein göttliches
Selbstgefühl attestiert und entsprechend karikiert wird.
Freilich führt er sich hierbei eher wie der ungeschlachte Sohn von
Odysseus’ Todfeind Poseidon auf, wenn er im Zorn wie einst Polyphem
eine Filmrolle statt eines Felsbrockens knapp vorbei an
Fritz Lang schleudert.
Die
Filmrollen, die Gordon in seinem Wohnmobil zwischen sich und Munro
gestapelt hat, werden noch einmal an dieses Machtspiel erinnern.
Während Fritz Lang aber in Godards Film seiner Devise treu bleiben
und nach Prokoschs Unfalltod auch den Film zu Ende bringen kann, muss
Munro seinem Produzenten in den Tod folgen.
- 14 -