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Proust. Doppelgänger
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II  Reiseberichte
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VI GERMANISTICA

ZU PROUSTS ,ICH IN MIR’

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So sehr ich auch auf solche Signale achtete und mir vor allem die phantomhaften Selbstbegegnungen und Alter-ego-Er­schei­nun­gen erst einmal in diesem Sinne zurechtzulegen suchte, so wenig hielten sie doch als eigenständige ‚Ich’-Gebilde Stand, so­fern das Wort ‚Ich’ eine urteilsfähige, wache und selbstbewusste Existenz(-form) bezeichnen soll. Gewiss war so mancher wie­der­au­ftau­chen­de Impuls einst ichhaft organisiert, doch organisiert er sich nicht mehr so, schwebt versprengt und wie abgestorben in uns, stößt zwar, unwillkürlich oder von uns aufgespürt, irritierend und belebend ins Bewusstsein, aber längst ohne eigene Intention, un­gesteuert. Unsere Empfindung, es sei da eine eigenständige Kraft, dürfte sich allein unserer gegenwärtigen Lebendigkeit ver­danken, unserer Beeindruckbarkeit ebenso wie unserem Erkenntnisverlangen, wodurch wir jedes Objekt zunächst als ein uns Wi­derstreben- des oder Sichentziehendes erfahren – und dies im erhöhten Maße bei Eindrücken, die uns in der Erinnerung ent­ge­gentreten und insofern nun wirklich ‚Ich’-Abkömmlinge sind.

   Außerdem hatte sich, wie meine Analysen der Erinnerungsbildung und gelegentlich verwunderten Kommentare fortlaufend be­leg­ten, vieles nichtbewusst in mir organisiert. Hierfür eine eigene seelische Instanz einzusetzen, sei es ein ‚Es’ als Repräsentant unserer Triebe oder ein gewissenhaft uns tyrannisierendes Über-Ich’, ist mir, zumal nach eigenen psychoanalytischen Studien, al­ler­dings ebenso wenig möglich, da sie als Instanzen ähnlich verdinglicht zu werden pflegen wie es durch die Annahme von vielen le­benszeitlich gebundenen und wiederauflebenden ‚Ich’-Gestalten in uns geschähe. Genug, dass so manches, was nichtbewusst zu­stande kam, mir in seiner wunderlich assoziativen Genese plausibel und in seiner mitunter verdeckten Funktion nach­voll­zieh­bar wurde und ich gelegentlich sogar von der Gegenwart her verfolgen konnte, wie sich Phantom- oder Pseudoerinnerungen her­anbilden. Es wäre jedenfalls eine krasse und auch sentimentale Hypostasierung, etwas als Wesenheit oder eigene seelische In­stanz anzusetzen, das sich ebenso gut als seelische Prozedur, als Impuls oder nur als Bewusstseinsinhalt verstehen lässt.


Im Geiste Prousts habe ich mir aber sogleich einige Gegenfragen zu stellen. Wie weit erstreckt sich unsere seelische Gegenwart, in der wir uns als ‚Ich’ empfinden? Wann gehören Wünsche schon nicht mehr zu unserem Niveau oder unseren Möglichkeiten, und wann entspricht das Gedachte nicht mehr unserem Denken? Warum nicht so großzügig sein, jeden erinnerbaren Wunsch und Einfall als den unseren anzuerkennen, auch wenn die Entwicklungsstufe, auf der er sich bildete, längst keinen Bestand mehr hat? Gibt es nicht Sehnsüchte, Erwartungen und Vorstellungen, die „ein Leben lang” unerfüllt in uns umhergeistern und allein da­durch, ob nun von uns weiterhin für gültig und praktikabel erklärt oder nicht, uns auf unsere Geschichte mit ihren fragwürdigen Gewinnen und Verlusten aufmerksam machen? Steckt nicht auch in dem, was wir einst fallen ließen oder abbrechen mussten, et­liches, das zu verwirklichen oder modifiziert aufzunehmen immer noch gut oder schon wieder an der Zeit wäre? Und sind 


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