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II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
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VI GERMANISTICA

FEHLER  BEI  DER  ERINNERUNGSBESCHREIBUNG

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unsensibel und verfälschen den Charakter von Erinnerungen, indem sie daraus, nach allenfalls stockendem Beginn für die frühe­ste Kindheit, sehr bald schon flüssige Erlebnisberichte und urteilssichere Darstellungen machen. Im Grunde wollen sie ja auch nicht jene oft undeutlichen, sich rasch verflüchtigenden oder offenbar in einer späteren Perspektive überarbeiteten Erinnerungs­szenen und -bilder als solche wiedergeben, sondern die mehr oder minder kämpferische, jedenfalls profilierende Bewegung ei­nes Le­bens­laufs inmitten seiner Zeit schildern. Selbst unser dichterischer Genius des Sicherinnerns, Marcel Proust, der wie in Trance stundenlang unbeweglich vor einem verheißungsvollen Objekt oder in einer bestimmten Körperhaltung verharren konnte und auch deshalb wie kein anderer das körpergebundene Aufsteigen der Erinnerung ins Bewußtsein festzuhalten vermochte, be­schreibt zwar noch minuziös die (beseligenden) Empfindungsinhalte der evozierenden wie der evozierten Situation, läßt aber die anderen Erinnerungsinhalte nur kunstvoll überarbeitet zur Erscheinung kommen: als sprachlich opulent arrangierte Szenen und Schauplätze, die mit einem Schlage, tatsächlich wie eine der auch in unserer Kindheit noch zu bestaunenden, in einer Jakobsmu­schel embryonisch verborgenen japanischen Szenerien, dann wundersam entfaltet als Texte vor einem liegen.


Man müsste es daher einmal anders machen und für seine Erinnerungen, insbesondere an die frühe Kindheit, eine Be­schrei­bungs­tech­nik wählen, die nicht narrativ, sondern fragmentarisch ausgerichtet ist, in der sich die Szenen und Momente also unvermittelt einstellen können, sinnindifferent bleiben dürfen und sich auch als unentzifferbar wieder schließen könnten. Nur so, begleitet von ei­ner typographisch abgesetzten Kommentarsprache, die sich aus der Perspektive des Erwachsenen auch verborgenen Motiven und Strukturen zu widmen hätte, könnte man sich ungestört, ohne auf szenischen Zusammenhang und Plausibilität Rücksicht neh­men zu müssen, dem Verwischten, so oft fragwürdig Bleibenden und rätselhaft Polyperspektivischen der Erinnerungen zu­wen­den. Dabei empfiehlt es sich, für die besonders heikle Erfassung der Kindheitserinnerungen nur das Präsens zu gebrauchen. Wie man nach wenigen Selbstversuchen bemerken kann, schärft es in seiner aufreizend paradoxen Präsenzbehauptung den Sinn für all das, was aus der Perspektive ihres erwachsenen Verfassers einzufließen droht. Der Gebrauch des Präteritums schläfert einen hierbei viel zu leicht ein, gerade der dadurch eingestandene (zeitlich-)geistige Abstand lässt viel eher Vokabular und Ur­teils­ver­mö­gen aus der späteren Zeit einfließen – eine mentale Distanzierung, die erklärt, wieso ich umgekehrt das Präteritum un­will­kür­lich immer dann verwenden möchte, wenn ein mir besonders unangenehmes Erlebnis zu schildern ist.


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