Es
waren dies aber keine Erinnerungen an einzelne Erlebnisse, sondern
„nur” Wiedererkennungen oder Reminiszenzen an serielle
Erfahrungen und Requisiten. Außerdem haben diese Funde von 1976 ja
immer noch keine Spuren in meinem visuellen
Erinnerungsschematismus hinterlassen; nur ihre
damalige schriftliche Fixierung dürfte sie davor bewahrt haben, wie
jene anfänglich erwähnten Veränderungen im Straßen- und
Industriebild der benachbarten Großstadt, allmählich zu verblassen
oder von einem älteren Gedächtnissystem längst schon
eliminiert worden zu sein. Immerhin, wenn auch nur als serielle Daten
oder Stellvertreter älterer Szenen, sind sie erst einmal mitsamt
ihrem Erinnerungspotential gesichert und könnten unter Umständen
wieder szenisch detaillierter vor Augen treten (und tatsächlich
konnte ich später
diese sinnliche Reminiszenzen
an Details wie Disteln, Kuhfladen und an den Schlägen eines
Elektrozauns wieder mit
authentischem
Begleitgefühl
heraufrufen).
Im Nachhinein
muss ich mich nun doch sehr darüber wundern, wie
getreulich ich auf
meinem Wiesenrundgang von 1976 jenem viertelkreisförmig verlaufenden
visuellen
Erinnerungsschema folgte,
das mir damals als solches noch gar nicht bewusst war! Selber
begründet wurde dieses rigorose Schema zweifellos durch die
Topographie der Rheinwiesen, die für uns Kinder die
Bewegungsmöglichkeiten weithin festlegte: Auf
der ganzen linken Seite, in die Raumtiefe der Wiesen hinein – an
der Vertikalen dieses Viertelkreises –, lag das
Obstbaumgebiet eines Großbauern, markiert durch den für uns nur
schwer übersteigbaren, von Kopfweiden gesäumten Zaun, der diese
Zone von „unseren” rechts daliegenden Spielwiesen und den
Viehweiden abtrennte. So stark muss
dieses
Grenzgefühl gewesen sein, dass mein visuelles Raumschema sich die
Baumreihe mit ihrer Abzäunung wie selbstverständlich
zum linken Flügel genommen und keinen weiteren szenischen Blick zum
jenseitigen Obstbaumgebiet hin erlaubt hat. Was sicherlich
noch dadurch verstärkt wurde, dass sich mir von unserem
Wohnzimmerfenster aus nahezu derselbe Bildausschnitt darbot. Um
mich davon zu lösen, müsste ich schon aus dem schematischen Ablauf
hinaustreten und mir den bildbeherrschenden Kletterbaum vorne links
auf der Grenze genauer vorstellen. Er befindet sich auf meinen
späteren Photos diesseits des Zaunes, doch
zeigen in den Stamm eingewachsene Stacheldrahtreste, dass er einmal
auf der anderen Seite angesiedelt war. Wann und wie auch immer, ein
Hauptast jedenfalls, der in der Gabelung einen Brettersitz trug,
reichte schon zu meiner Zeit in die Obstwiesen hinüber, in
die wir uns denn auch einige Male hineinwagten, um Äpfel zu
stibitzen oder nur, um es gewagt zu haben.
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