HELMUTH PLESSNER
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erhalten.
„Der unbelebte Körper ... ist, soweit er reicht. Wo und wann er zu
Ende ist, hört sein Sein aus. Er bricht ab.”38
Liegt
diese „Grenze” bei den anorganischen Körpern zwischen Körper
und dem Medium, so gehört sie bei den Lebewesen,
die „raumbehauptend” sind,
„dem Körper selbst an, der Körper ist die Grenze seiner selbst
und des Anderen und insofern sowohl ihm als dem Anderen
entgegen.”39
Der
lebendige Körper „steht im Doppelaspekt ineinander nicht
überführbarer Richtungsgegensätze nach
Innen (substantieller Kern) und nach Außen (Mantel der
eigenschaftstragenden Seite)”; er weist so „eine prinzipiell
divergente Außen-Innenbeziehung” auf, ist außerhalb und innerhalb
seiner selbst, in einer „doppelten Transzendierung”.40
Bei
aller Originalität seines Ansatzes ignoriert Plessner durchaus nicht
die traditionell dem Lebendigen zugeschriebenen Merkmale wie
Plastizität und Biegsamkeit, Rhythmik oder „Unstetigkeit im
Stetigen”41,
auch wendet er sich der Entwicklung des Lebewesens bis hin zum Altern
oder dem „Typus”-Charakter jedes Einzelwesens zu, das so immer in
einem bestimmten Verwandtschaftsgrad zu anderen steht. Doch operiert
er in der Folge mit Ausdifferenzierungen seiner Leitkategorie
„Positionalität”.
Bekanntlich
unterscheidet er – in Anlehnung an Hans Driesch – drei
abgestufte Ausprägungen der „Positionalität” oder
„Organisationsformen” des Lebens:
die „offene” der Pflanze, die „geschlossene” des Tieres und
die „exzentrische” des Menschen.
Die Pflanze ist im Gegensatz zum abgeschlossenen anorganischen Körper
für ihre Umgebung aufgeschlossen, aber im Stoffwechsel und bei der
Fortpflanzung unmittelbar und unselbständig in sie eingegliedert;
trotz der Photosynthese überwiegt bei ihr die Assimilation.
Das Tier in seiner geschlossenen Lebensform ist mittelbar und
selbständig in seine Umgebung eingegliedert. Mittelbar zunächst,
weil es gegen sie weithin „abgekammert” ist und zwischen sich und
Umgebung „Zwischenglieder einschalten” kann, nämlich
über seinen Körper, der im Unterschied zur Pflanze eine
„Differenzierung der Gewebe in Freß-, Verdauungs- und
Exkretionsorgane” besitzt.42
Im Organisationsprinzip der
Sensomotorik, das Reize der Umgebung aufnimmt und auf diese
wieder einwirkt, tritt der tierische Organismus „in zwei relativ
selbständige Teile auseinander”, eine Dualität, welche eine
„zentrale Repräsentation” erforderlich macht. In diesem
„Zentralorgan”
(alias Zentralnervensystem) sind
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38 Helmuth
Plessner, Die Stufen des Organischen und der Mensch (1928). Ich zitiere
nach der 3. Auflage (Berlin, New York) 1975. S. 129.
39 a.a.O., S. 127 40 a.a.O., S. 128, 89 und 130 41 a.a.O., S. 124 42
a.a.O., S. 222
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