Prospektphoto: ww.chinatouristmaps.com/assets/images/travelmapxz/Detailed-Travel-Map-of-Hangzhou-West-Lake.jpg Quellen für die Photos rechts, von oben: http://en.wikipedia.org/wiki/File:China_Hangzhou_ Westlake-8.jpg
www.chinahighlights.com/image/hangzhou/three-pool.gif www.physics.fudan.edu.cn/tps/outreach/plmcn12/Hangzhou/tourism.html
Marco Polo,
dem man am Nordostufer des Westsees (Xi Hu) eine Statue
errichtet hat, wußte Ende des 13. Jh. über Hangzhou alias Qinsai
und den schon damals berühmten See zu berichten:
"Über
die Stadt habe ich noch einiges zu sagen. An ihrer Südseite
erstreckt sich ein See von gut dreißig Meilen Uferlänge. Rund um
den See stehen prächtige Paläste und vornehme Landhäuser ...
Viele Abteien und Heidenklöster wurden ebenfalls
entlang des Ufers errichtet. Mitten im See liegen zwei Inseln; auf
jeder erhebt sich ein glänzender Palast ... Wenn jemand eine
Hochzeit feiern oder ein Gastmahl halten will, fährt er zu
den Inselpalästen. An Geschirr und Geräten ist dort alles
vorhanden, was es für Feste und Feiern braucht ..."2)
Heute pflegt
man von drei Inseln des Westsees zu sprechen, doch zu Zeiten von
Marco Polo gab es noch nicht die auf dem Prospekt außen links zu
sehende "Kleine Paradiesinsel" (Xiao Yingzhou) und
auch nicht die kleinere obere Insel rechts (Ruan Gong Dun). Beide
Inseln wurden in dem durchschnittlich kaum 2 m tiefen See erst
Anfang des 17. bzw. 19. Jh. aufgeschüttet.
Der
auf drei Seiten von Bergwäldern umgebene See wird von zwei nach
chinesischen Dichtern benannten Dämmen durchschnitten, dem fast 3 km
langen Su-Damm und dem
kurzen zur Hauptinsel führenden Bai-Damm (unten
rechts). Unsere Bootstour auf dem Hauptsee beginnt an der linken
Uferseite und verläuft parallel zu dem
von Weiden und Pfirsichbäumen gesäumten Su-Damm. Er
wurde im 11. Jh., als der See zu verlanden drohte,
von dem Poeten und damaligen Gouverneur Su Dongpo aus
dem Aushub des Sees erbaut und gewährt durch seine 6
Bogenbrückchen die Verbindung mit dem kleinen
Inneren See. Die eine oder andere dieser Brücken
hätten wir bei besserer Vorkenntnis schon im Sommerpalast
von Beijing als landschaftsgärtnerische Kopie
identifizieren können und in der Sommerresidenz
von Chengde
sogar den Su-Damm selber
(als Vorbild für die Anlage "Graspfad und
Wolkendamm").
Auf
dem motorisierten Touristenboot haben sich ungefähr 50 Passagiere
eingefunden. Wir nehmen zunächst unter Deck Platz, doch stören bald
die überlauten chinesischen
Mikrophon-Kommentare einer anderen
Reiseleiterin sowie, man glaubt es kaum, ein eingeschaltetes
TV-Gerät, dessen Bildergeflimmer uns ständig vor Augen
sein würde. Die meisten von uns gehen darum bald an Deck.
Falls möglich, sollte man besser eines der
herkömmlichen Westseeboote benutzen, die bis zu sechs Personen
aufnehmen können und von dem am Heck sitzenden
Bootsführer meist mit nur einem Riemen gerudert
werden.
Schon
kurz nach dem Ablegen kommen wir an einer der "Zehn Ansichten
des Westsees" vorbei, die man seit nahezu einem Jahrtausend mit
poetischen Epitheta ausgezeichnet hat. Es sind dies
die vor der "Kleinen Paradiesinsel" im See liegenden
drei Steinpagoden, deren Szenerie als "Drei
Teiche spiegeln der Mond" (Santan
Yinyue) umschrieben wird: In die zwei Meter hohen und mit
Öffnungen versehenen Pagoden setzt man beim
Mittherbst-Mondfest Kerzen, deren Widerschein auf dem See sich wie
drei Mondlichtflächen ausnehmen soll.
Zu
unserer Linken passieren wir ein hübsches Brückchen des Seedamms
nach dem anderen, auch zeichnet sich in einem Bergwald dahinter das
heute früh von uns besuchte Lingyin-Kloster ab. Wir fahren
bis zur Hauptinsel Gu Shan, auf der sich der Reisepalast der
Qing-Kaiser Kangxi und Qianlong befand. Gu Shan ist über den kurzen
Bai-Damm mit dem Ostufer des Sees verbunden. Hier liegt die
bekannteste der Westsee-Brücken, die "Gebrochene
Brücke" (Duanqiao), die als Szenerie den Namen
"Schneeschmelze
an der gebrochenen Brücke"
trägt. Es gibt verschiedene
Auslegungen der Namensgebung, darunter die,
daß der oberhalb auf dem Baoshi-Hügel stehende
Betrachter nach einem Schneefall den Brückendamm wie eine
weiße Kette über dem See liegen sieht und daß dann beim Schmelzen
als erstes die braune Steinbrücke wie ein
Bruchstück im See zum Vorschein kommt.
Das Boot bringt
uns wieder zur Anlegestelle zurück, in deren Nähe sich die
abgebildete Leifeng-Pagode erhebt, die um das Jahr 1000
erbaut und als Szenerie seit dem 13. Jh. als "Leifeng-Pagode
im Abendglühen" bekannt
wurde. Nach Plünderungen und Brandschatzungen im 16. und 17. Jh.
verfiel sie und stürzte 1924 in sich zusammen. Auf dem
Prospekt ist sie nicht zu sehen, da sie erst vor einem
Jahrzehnt als - umstrittener - Neubau mit vorgelagerter
Rolltreppe und Lift wiedererrichtet wurde. Auf
einem Hügel hinter ihr liegt das Jingci-Kloster, dessen
Glockengeläut zu der Szenerie "Abendläuten
am Nanping-Hügel" inspiriert
hat.
Unsere
Bootstour ist damit schon beendet. Eigentlich müßte ein
Westseeprogramm auch den Besuch der einen oder anderen Insel mit
ihren Sehenswürdigkeiten beinhalten. Einige ihrer
klassischen Szenerien seien hier wenigstens noch
genannt: "Beschauen der Fische im Blumenhafen", "Lotospark
in der Brise im verwinkelten Hof", "Herbstmond über
dem stillen See" und "Die Wolken durchbohrende
Doppelspitzen".
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2) Marco Polo, 'Die Wunder der Welt. Die Reise nach China
an den Hof des Kublai Khan' (Frankfurt/Main 2003), S. 221f.
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