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Prospekt (wohl um 1965) vom Westsee in Hangzhou; im Hintergrund halbrechts das Lingyin-Kloster,
rechts (im Norden) die große Gushan-Insel mit dem Bai-Damm, außen links (im Süden) die Insel Xiao Yingzhou mit den Steinpagoden im See


Westsee-Szenerien; oben die Leifeng-Pagode,
in der Mitte die Steinpagoden


Prospektphoto: ww.chinatouristmaps.com/assets/images/travelmapxz/Detailed-Travel-Map-of-Hangzhou-West-Lake.jpg                                                                                                                              Quellen für die Photos rechts, von oben: http://en.wikipedia.org/wiki/File:China_Hangzhou_ Westlake-8.jpg

                                                                                                                                                                                                                                                                         www.chinahighlights.com/image/hangzhou/three-pool.gif     www.physics.fudan.edu.cn/tps/outreach/plmcn12/Hangzhou/tourism.html                                      


Marco Polo, dem man am Nordostufer des Westsees (Xi Hu) ei­ne Sta­tue errichtet hat, wußte Ende des 13. Jh. über Hangzhou alias Qinsai und den schon damals berühmten See zu be­rich­ten:


"Über die Stadt habe ich noch einiges zu sagen. An ihrer Südseite erstreckt sich ein See von gut dreißig Meilen Uferlänge. Rund um den See stehen prächtige Paläste und vornehme Landhäuser ... Vie­le Ab­tei­en und Heidenklöster wurden ebenfalls entlang des Ufers errichtet. Mitten im See liegen zwei Inseln; auf jeder erhebt sich ein glänzender Palast ... Wenn jemand eine Hochzeit feiern oder ein Gast­mahl hal­ten will, fährt er zu den Inselpalästen. An Geschirr und Geräten ist dort alles vorhanden, was es für Feste und Feiern braucht ..."2)


Heute pflegt man von drei Inseln des Westsees zu sprechen, doch zu Zeiten von Marco Polo gab es noch nicht die auf dem Prospekt außen links zu sehende "Klei­ne Paradiesinsel" (Xiao Yingzhou) und auch nicht die kleinere obere Insel rechts (Ruan Gong Dun). Beide Inseln wurden in dem durchschnittlich kaum 2 m tiefen See erst An­fang des 17. bzw. 19. Jh. aufgeschüttet.

    Der auf drei Seiten von Bergwäldern umgebene See wird von zwei nach chinesischen Dichtern benannten Dämmen durchschnitten, dem fast 3 km langen Su-Damm und dem kurzen zur Haupt­in­sel füh­ren­den Bai-Damm (unten rechts). Unsere Bootstour auf dem Hauptsee beginnt an der linken Uferseite und verläuft parallel zu dem von Weiden und Pfir­sich­bäu­men gesäumten Su-Damm. Er wur­de im 11. Jh., als der See zu ver­lan­den droh­te, von dem Po­e­ten und damaligen Gouverneur Su Dong­po aus dem Aushub des Sees er­baut und gewährt durch seine 6 Bogenbrückchen die Ver­bin­dung mit dem klei­nen In­ne­ren See. Die ei­ne oder andere dieser Brücken hät­ten wir bei besserer Vorkenntnis schon im Som­mer­pa­last von Beijing als land­schafts­gärtnerische Kopie identifizieren kön­nen und in der Som­mer­re­si­denz von Cheng­de so­gar den Su-Damm sel­ber (als Vor­bild für die An­la­ge "Graspfad und Wol­ken­damm").

    Auf dem motorisierten Touristenboot haben sich ungefähr 50 Passagiere eingefunden. Wir nehmen zunächst unter Deck Platz, doch stören bald die über­lau­ten chi­ne­si­schen Mi­kro­phon-Kom­men­ta­re ei­ner an­de­ren Reiseleiterin sowie, man glaubt es kaum, ein eingeschaltetes TV-Gerät, dessen Bildergeflimmer uns stän­dig vor Au­gen sein wür­de. Die mei­sten von uns gehen darum bald an Deck. Falls mög­lich, soll­te man bes­ser ei­nes der herkömmlichen Westseeboote benutzen, die bis zu sechs Per­so­nen auf­neh­men kön­nen und von dem am Heck sitzenden Bootsführer meist mit nur ei­nem Rie­men ge­ru­dert wer­den.

    Schon kurz nach dem Ablegen kommen wir an einer der "Zehn Ansichten des Westsees" vorbei, die man seit nahezu einem Jahrtausend mit poetischen Epitheta aus­ge­zeich­net hat. Es sind dies die vor der "Klei­nen Paradiesinsel" im See liegenden drei Steinpagoden, deren Szenerie als "Drei Teiche spiegeln der Mond" (Santan Yinyue) um­schrie­ben wird: In die zwei Meter hohen und mit Öff­nun­gen versehenen Pa­go­den setzt man beim Mittherbst-Mondfest Kerzen, deren Widerschein auf dem See sich wie drei Mond­licht­flächen aus­nehmen soll.

   Zu unserer Linken passieren wir ein hübsches Brückchen des Seedamms nach dem anderen, auch zeichnet sich in einem Bergwald dahinter das heu­te früh von uns besuchte Lingyin-Kloster ab. Wir fah­ren bis zur Hauptinsel Gu Shan, auf der sich der Reisepalast der Qing-Kaiser Kangxi und Qianlong befand. Gu Shan ist über den kurzen Bai-­Damm mit dem Ost­ufer des Sees verbunden. Hier liegt die be­kann­te­ste der West­see-Brücken, die "Gebrochene Brücke" (Duanqiao), die als Szenerie den Namen "Schnee­schmel­ze an der ge­bro­che­nen Brücke" trägt. Es gibt verschiedene Auslegungen der Na­mens­ge­bung, dar­un­ter die, daß der oberhalb auf dem Bao­shi-Hü­gel ste­hen­de Be­trach­ter nach einem Schneefall den Brückendamm wie eine weiße Kette über dem See liegen sieht und daß dann beim Schmel­zen als er­stes die brau­ne Stein­brü­cke wie ein Bruch­stück im See zum Vor­schein kommt.


Das Boot bringt uns wieder zur Anlegestelle zurück, in deren Nähe sich die abgebildete Leifeng-Pa­go­de erhebt, die um das Jahr 1000 erbaut und als Szenerie seit dem 13. Jh. als "Leifeng-Pagode im Abend­glü­hen" bekannt wurde. Nach Plünderungen und Brandschatzungen im 16. und 17. Jh. verfiel sie und stürzte 1924 in sich zu­sam­men. Auf dem Prospekt ist sie nicht zu sehen, da sie erst vor ei­nem Jahr­zehnt als - umstrittener - Neubau mit vorgelagerter Rolltreppe und Lift wie­der­er­richtet wur­de. Auf einem Hügel hinter ihr liegt das Jingci-Klo­ster, des­sen Glockengeläut zu der Sze­ne­rie "Abend­läu­ten am Nan­ping-Hügel" inspiriert hat.

   Unsere Bootstour ist damit schon beendet. Eigentlich müßte ein Westseeprogramm auch den Besuch der einen oder anderen Insel mit ihren Sehenswürdigkeiten be­in­hal­ten. Einige ihrer klassischen Sze­ne­rien sei­en hier wenigstens noch genannt: "Beschauen der Fische im Blumenhafen", "Lotospark in der Brise im verwinkelten Hof", "Herbst­mond über dem stil­len See" und "Die Wolken durch­boh­ren­de Dop­pel­spit­zen".

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2)  Marco Polo, 'Die Wunder der Welt. Die Reise nach China an den Hof des Kublai Khan' (Frankfurt/Main 2003), S. 221f.


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