Wenn
Friedrich Munro für den Film eine „Geschichte” ablehnt, dann
gewiss nicht einfach deshalb, weil das Leben – wie er in Sintra
erklärt – auch keine Geschichte kennt. Diese Begründung würde ja
bedeuten, dass sich der Film den Regeln des Lebens zu unterwerfen
hätte, was wiederum nicht minder kunstfeindlich wäre als die
eskapistische Tendenz im System
Hollywood.
Indem nun Gordon dessen Klischees während der nächtlichen Fahrt
durch Hollywood fortlaufend bedient, treibt er Munro zu einer Klärung
der eigenen künstlerischen Position. Sie stellt sich als ein
fundamentales filmästhetisches Dilemma dar:
Wie
Munro erklärt, hätte er in seinen Anfängen „von
Einstellung zu Einstellung” gearbeitet,
um seinen (Spiel-)Filmen nur ja nicht das Leben auszutreiben.
Er vermochte auf diese Weise mit forschendem Blick zugleich spontan
zu bleiben und sich für das Fluidum und Eigenleben seiner
Szenerien offen zu halten. In dieser nicht-narrativen
Radikalität konnte er aber nicht nach Belieben weitermachen, denn
ohne die geistige Spannung einer strukturierenden „Geschichte”
droht der Verfall an eine Bildlichkeit, die nicht über sich und den
Moment hinausweist und zuletzt narzisstisch eine Einstellung
gleichgültig an die andere reiht.
Es
war dies ein
altes Dilemma für den Filmemacher Wim Wenders selbst.15)
Die
„Angst”, die Munro am Abend vor dem Drehen überfiel, beschlich
einst auch den Regisseur von ,Im
Lauf der Zeit’
(1976).
Bei seiner Adaptation von Goethes ,Wilhelm
Meister’ in
seinem Film ,Falsche
Bewegung’ (1975)
hatte Wenders die „Zwänge einer Geschichte” erfahren und wollte
sich nun an einem für alles bedingungslos offenen „Reisefilm”
versuchen. Auf einen solchen Versuch spielt Munros Wort an,
dass „das Leben vorbeigeht, im Laufe der Zeit, ohne den Drang,
Geschichten zu werden” (32:06-16). Wenders versuchte ja sogar, für
seinen Film ,Im
Lauf der Zeit’16)
ohne
Drehbuch auskommen und erlebte dabei bald den Horror des
Orientierungsverlustes. Von dem einen
Drehtag zum nächsten wusste er nicht mehr weiter und suchte
verzweifelt nach einem nur halbwegs plausiblen Fortgang.
Als
ein „Korsett”17)
hingegen
empfand er den Umstand, dass sein im Jahre 1928 spielender ,Hammett’
(1982)
ihm beim Drehen in Francis Coppolas Zoetrope-Studios die so
wichtige Spontaneität kaum mehr erlaubte. Dafür hat er, wie ich im
nachfolgenden Essay zeigen möchte, in diesem wohl am stärksten
unterschätzten seiner Filme eine andere Werkdimension vertieft. Sein
Thema nämlich, wie jemand zu einem Schriftsteller wird und sich
bei ihm Realität und Fiktion verwirren,
erlaubte es Wenders, sich in eigener Filmsprache auf die
Mehrbödigkeit der erzählerischen Phantasie zu konzentrieren. Hier
konnte er sich erfinderisch literatur- und filmgeschichtlichen
Anspielungen oder Verflechtungen bewegen, wie es nur bei einem
Kriminal- und Drehbuchautor wie Hammett möglich war.
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