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III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
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ZUR-SPRACHE-BRINGEN UND ÜBERARBEITEN DES ERINNERTEN

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Erst in der Überarbeitung konnte ich vielen Nuancen und Hintergründen besonders der so oft visuell oder affektiv dominierten Erinnerungsszenen annähernd gerecht werden. Was im einzelnen bedeutete, dass die sich vordrängenden Orts- und La­ge­be­zie­hun­gen (wie „links/rechts von mir”), die anders als in der frühkindlichen Raumorientierung keinen existentiellen Rang mehr haben, wieder abzubauen oder ganz zurückzunehmen waren. Stark zu dämpfen war vor allem ein gewisser dokumentarischer Eifer, mit dem ich zweifellos jene Abhängigkeit zu kompensieren suchte, es als Erinnernder so oft nur mit undeutlich bleibenden Schat­ten­ge­bil­den zu tun zu haben und mir die Differenzierungen und Einfälle versagen zu müssen, die dem Betrachter gegenwärtiger Le­bens­szenen oder auch dem Romancier möglich wären. Deswegen und aus dem anderen Grunde, weil ich das Vergangene ge­ra­de im Detail erretten wollte, klebte ich zunächst einmal an unseren wechselnden Wohnungseinrichtungen, beschrieb die In­fra­struk­tur unseres jeweiligen Wohngebiets oder fertigte von Dutzenden von Personen mehr oder minder kenntliche und relevante Porträts an, wobei ich neben dem banalen äußeren Erscheinungsbild auch die kleinen Tics oder Peinlichkeiten notierte, die zur Sprache zu bringen ich mir sonst nie gestatten würde. Warum aber sollten die Grundsätze einer schonenden Dezenz, Höflichkeit und Großzügigkeit ihre Gültigkeit verlieren, sobald jemand ‚nur’ aus der Distanz der Erinnerung betrachtet wird? Als dürfte oder müsste man gar mit zunehmender zeitlicher und lebensrelevanter Entfernung immer zudringlicher werden! Und so hatte ich mich auch bei der Erinnerungsbeschreibung von Sachen und Verhältnissen immer wieder davon zu überzeugen, dass – von den frühkindlichen Erinnerungen abgesehen – eine exemplarische, dem Wesentlichen verpflichtete Behandlung weiterhin die einzig sinnvolle ist, mag sie auch bei der ersten Niederschrift, die das verschüttete Material allererst zur Kenntnis bringen und sichten möchte, so noch nicht greifen können.


Was nun aber die hermeneutisch vertrackte Frage nach dem betrifft, was ‚exemplarisch’ oder gar für die eigene Person ‚wesentlich’ wäre, so lernte ich gerade in diesen Überarbeitungen, mich allmählich von den mir gleichgültigen Personen und Sachen zu tren­nen; mich von ihnen zu befreien, indem ich mich auch von mir selbst zu trennen vermochte, von Situationen und Lebenspha­sen, in denen ich nicht auf der Höhe war und entsprechend kümmerliche Wahrnehmungen in mir zurücklassen musste. Diese Tren­nung von einem Großteil meiner Aufzeichnungen fiel mir immer leichter, weil ich mich dadurch auf die unscheinbaren und ver­steckt sich durchsetzenden Verhaltenszüge oder Phantasiebildungen konzentrieren konnte, die in ihrer Tendenz ja immer noch un­deut­lich genug sind. Noch jetzt, da ich mit meinem ‚Epilog’ langsam zum Ende komme und zugleich noch mitten in einer weiteren Übe­rar­beitung des Haupttextes begriffen bin, spüre ich, wie jede dieser mehrfach schon überarbeiteten Lebensszenen weiterhin in mir rumort und ich jede einzige, Zeile für Zeile, bei aller Erschöpfung, nochmals würde umschreiben müssen, wäre ich noch einmal annähernd so bestürzt und stellenweise so entgeistert wie nach dem ersten Überlesen. Denn nicht nur einen Text bringe ich hier


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