13. Tag, Mo 24.10.11:
Des
Morgens besucht unsere Gruppe den Yu-Garten
("Yu-Yuan") unweit des Huangpu-Flusses. Wie der von uns in
Suzhou besichtigte "Garten
des Verweilens" wurde er von einem
Beamten aus der Ming-Zeit Mitte des 16. Jh. angelegt und ebenfalls
während der Taiping-Rebellion (1851-64) schwer verwüstet. In seiner
gegenwärtigen Gestalt freilich kann
man ihn nicht mehr wie jenen als einen klassischen
"Literatengarten" bezeichnen,
wirkt er doch nach seinem von wohlhabenden Kaufleuten Mitte des 18.
Jh. vorgenommenen Wiederaufbau
vergleichsweise überladen und stellenweise protzig. Rekonstruiert
hat man dabei auch die Dianchun Tang ("Halle der
Frühlingszeichen"), die zwei Jahre lang als
militärisches Hauptquartier der mit
den Triaden verquickten Geheimgesellschaft der "Kleinen
Schwerter" fungierte. Sie hatte sich während der
mörderischen, über 15 Millionen
Opfer fordernden Taiping-Rebellion von Hong
Xiuquan abgewandt, ihrem Sektenführer, der sich selbst angeblich für
den jüngeren Bruder Christi hielt. Dieser Abfall
trug entscheidend zur Niederlage der Taiping bei, da ihre Truppen nun
ihren einzigen bedeutenden Seehafen für auswärtige
Unterstützungsaktionen verloren
hatten.
Die heutige
Gartenanlage enthält an die 30 Pavillons und Hallen sowie die
üblichen Szenerien wie künstliche Hügel und ein Dutzend
kleiner Seen oder Teiche. Über den größten, den Lotus-Teich,
führt die geisterabwehrende Zickzack-Brücke der "neun
Biegungen", unter der sich bei unserem Nahen Schwärme von Koi
und Goldfischen ansammeln. Beim Mittelteil der Zickzack-Brücke liegt
das bekannte Huxinting-Teehaus, das den Briten während der
Opiumkriege kurzzeitig als Operationsbasis diente.
Teetrinkern wird gegenwärtig empfohlen,
sich hier am frühen Morgen oder erst nach 17 Uhr einzufinden, wenn
Touristen wie unsereins sich endlich verlaufen haben.
Noch
beinahe aus dem Gründungsjahrhundert des Gartens stammt ein jetzt
über 400jähriger Gingko biloba, an dem sicherlich schon der
Gingko-Liebhaber Goethe seine Freude gehabt hätte. Zu den
weiteren Sehenswürdigkeiten zählt der gut 3 Meter hohe "Exquisite
Jadefels", ein wunderlich durchlöcherter Taihu-Stein,
der einer Legende nach vor einem Jahrtausend für den
Kaiserhof bestimmt war, bei seinem Transport per Schiff
jedoch versank und danach für den Kaiser nicht mehr in Frage kam.
Hübsch,
wie die Gartenanlage von Mauern abgeteilt
wird, die jeweils als langer rhythmisch sich windender
Drachenleib mit dräuendem Drachenhaupt gestaltet
wurden.
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