Nur
streifen möchte ich in meinem Bericht unseren anschließenden Besuch
des westlich der Altstadt liegenden Liu Yuan. Den Namen dieses in der
Ming-Dynastie zu Beginn des 16. Jh. angelegten Gartens pflegt
man mit "Garten des Verweilens" zu übersetzen,
doch sollte er wohl besser "Der Verbleibende Garten"
heißen. Er war nämlich der einzige im Westen Suzhous, der
die Verwüstungen während des Taiping-Aufstandes (1851-64)
überstand und erhielt danach diesen neuen Namen. Als
unsere Reisegruppe gegen 11 Uhr dort eintrifft, ist er
heillos überlaufen. Einige Unterhaltungselemente wie
das Pipa-Spiel eines Mädchens im Ruderboot und der Gesang
einer zitherspielenden Frau in einem der
Pavillons wirken zudem künstlich aufgesetzt.
*
Die
alte Residenzstadt Suzhou verdankte wie Hangzhou ihren Reichtum vor
allem der Seidenproduktion und war gleichfalls schon zur
Zeitenwende an die von Xian ausgehende
Seidenstraße
angeschlossen.
Trotz drohender Todesstrafe wurden im 3. Jh. n.Chr. einige
Seidenspinnerraupen außer Landes
geschmuggelt und gelangten über Japan und Indien in
den arabischen und europäischen Raum.
Unsere
Reisegruppe besucht gegen Mittag die um 1930
gegründete staatseigene "Seidenfabrik
Nr. 1",
eine der der größten Chinas. Ehe man uns an den einzelnen
Stationen der Produktionskette vorbeiführt, erfahren wir in einem
Vortrag von der Geschichte und Prozedur der
Seidengewinnung. Die Raupen des Seidenspinners
(Bombyx mori), eines Nachtfalters, fressen ausschließlich die
zarten Blätter des Maulbeerbaums, die ähnlich
wie Brombeeren schmecken sollen. Nach einigen Wochen
produzieren sie zu ihrer Verpuppung einen oft über 1000 Meter
langen Seidenfaden, den sie in ungefähr 300.000
Windungen um sich legen. Vor dem Schlüpfen der Puppen weicht man die
Kokons im heißen Wasser oder Wasserdampf
auf, um ihre klebrige Sericinschicht zu entfernen. Die Puppen,
die beim Schlüpfen ein Loch in den Kokon bohren
würden, werden dabei abgetötet; für
ein Seidenkleid benötigt man bis zu 2000 Kokons. Der schwer zu
findende Anfang des Seidenfadens wird heutzutage
maschinell durch rotierenden Bürsten
erfaßt, dann aufgespult und im Haspelbecken mit
anderen Fäden verdreht. Fadenwahl und -farbe
bestimmen die Art des zu webenden Seidenstoffes.
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