Leiden
und Widerstreben eines Unterstufenschülers
Und
so manövriere und schummele ich mich weiter durch, immerzu mit
bösen Vorgefühlen und mehr oder minder schlechtem
Gewissen. Am Sonntagnachmittag oder -abend, oft
nach der Rückkehr von einem Pfadfinderlager, überfällt mich in den
Augenblicken, in denen ich an die morgen beginnende
Schulwoche denken muss, eine kurze heftige Übelkeit, oder es
durchwallt mich heiß.
Im
Laufe der Jahre weiß ich meine Arbeit für die Schule so zu
dosieren, dass ich in meinen schwächeren Fächern eben noch mitkomme
und möglichst
nicht mehr behelligt werden
kann. Mehr will ich nicht. Zwar habe ich noch öfter die verstörende
Empfindung, dies und das wegen der mir fehlenden Grundlagen
nicht recht zu verstehen, ja vielleicht etwas begriffsstutzig zu
sein, bin aber nie mehr so verzweifelt und kleinmütig wie früher.
Falls ich überhaupt je kleinmütig war; denn schon als Quintaner
oder Quartaner sage ich einmal leise zu mir, dass
ich die Sache im Grunde viel besser verstehe als der mich soeben
verhörende Lehrer.
Woher
nur nahm der von beinahe allen guten Geistern verlassene
Unterstufenschüler, der das meiste nur stumm über sich ergehen
lassen konnte, die Kraft dazu? War ich schon durch Schule und
Elternhaus zu einem Virtuosen des Totstellreflexes geworden, der
durch Missachtung und Geringschätzung nicht mehr tiefer zu
verletzen oder wenigstens nicht so leicht kaputtzukriegen war? Denn
verletzt und gedemütigt fühlte ich mich zweifellos, jener geistige
Hochmut war ja meine Antwort darauf.
Und
warum entsann ich mich in der Unterstufe nicht meiner Erfahrung aus
dem 3. Schuljahr, dass sich wie für das „Kleine
Einmaleins” auch
größere Wissenslücken triumphal wieder wettmachen
lassen? Ich war wohl doch schon zu demoralisiert und konnte mich nur
durch das trotzig
aufschießende Selbstgefühl
retten,
eine narzisstische Tröstung, die verwandt war mit der um 1955 mich
überraschenden grandiosen Gewissheit, nicht sterben zu können.
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