So. 20.8.00:
Unser Tagesziel ist
die gut 400 Straßenkilometer weiter östlich gelegene Grenzstadt Del
Rio, doch machen wir zuvor noch einen größeren Schlenker
westwärts nach Terlingua.
In ‘Paris, Texas’
von Wim Wenders wird hier der aus
Mexikos Wüstengebieten herübergekommene Travis
nach seinem Zusammenbruch in der kleinen
Ortsklinik untersucht. Wie dabei die Kamera den stumm
Daliegenden zeigt, scheint an das
bekannte Photo von dem ermordet aufgebahrten Che
Guevara zu appellieren. Die erst 1980
eingerichtete Paramediziner-Klinik existiert dank mancher
Spenden im Jahre 2000 immer noch unter der in Film
gezeigten Notrufnummer. Jedermann in den Chisos Mountains
dürfte diese kleine „Non-Profit”-Klinik oder
vielmehr Erste-Hilfe-Station im Hinterkopf haben, da sie im
Notfall die nächstliegende ist, denn für ein Krankenhaus
müßte man gut 2 1/2 Stunden bis nach Alpine
fahren. Einen kurzen CBS-Filmbericht des Jahres 1984 über die
Klinik und ihren Begründer John Alexander
findet man unter: www.vimeo.com/6013454
P.S.:
Die Klinik wurde 2003 geschlossen, weil es im benachbarten Grenzort
Lajitas ähnliche Einrichtungen gab, scheint aber
inzwischen unter dem Namen „Terlingua Medics” in
telemedizinischer
Organisationsform wiedererstanden zu
sein. Zudem praktiziert in Terlingua mittlerweile ein
skurriler „Borderline”-Spezialist, der für den
Grenzgänger Travis womöglich hilfreicher gewesen
wäre als der - von Bernard Wicki tough gespielte -
Texasarzt.
Terlingua
verdankt seine Gründung der Entdeckung von Zinnober, aus dem von
1900 bis 1940 durch starke Erhitzung Quecksilber gewonnen
wurde. Bis zu 2000 Menschen wohnten einst in der Ortschaft,
und der Name Terlingua - der sich wohl von den drei hier
vorherrschenden Sprachen der Apatschen, Kiowa und
Komantschen herleitet - stand zeitweilig für den zweitgrößten
Quecksilberproduzenten der Welt. Nach
Erschöpfung der Minen verfiel die Ortschaft rasch zu
einer Geisterstadt, doch siedelten sich hier im
Unterschied zu so vielen anderen amerikanischen
Ghost Towns immer wieder diverse Außenseiter
oder „misfits” an
(wie es eine hier lebende Frau von den meisten Bewohnern
behauptet). Dank des Tourismus stieg die Zahl der
Einwohner zwischen 1994 und 2000 von 25 auf 267.
Wir suchen noch den
Friedhof von Terlingua auf und kommen aus dem Staunen nicht heraus.
Offenbar hat die Wüstenlandschaft eine
eigene wüste Bestattungskultur nach sich gezogen. Zudem,
so mein Eindruck auch von jüngeren Websites her, haben
sich in Terlingua ungewöhnlich viele Spaßvögel
eingefunden.
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