Am
Morgen verlassen wir Luoyang und werden zu den nicht weit entfernten
"Longmen"-Grotten gefahren. Das englisch klingende
Wort bedeutet im Chinesischen "Drachentor".
Denn hier durchbricht der Yi-Fluß nach Norden ein bewaldetes
Bergmassiv, das für die einen die Gestalt eines Drachen
hat, während für die anderen der "Drache"
symbolisch für den Kaiser steht (der kaiserliche Palast lag
zeitweilig in der Nähe der Grotten). Seitdem der Kaiser
der Nördlichen Wei-Dynastie 494 den zuvor verfolgten
Buddhismus zur Staatsreligion erhob, wurden hier auf beiden
Seiten des Flusses bis ins 13. Jh. hinein über 2000 Grotten und
Nischen mit (Buddha-)Skulpturen und kleinen
Pagoden in indischer Bautradition aus dem Kalkstein
geschlagen - bis zum Ende der Song-Dynastie, da die
nachfolgende Yuan-Dynastie unter
ihrem ersten Kaiser Kublai Khan sich zum Islam
bekannte.
Unser
Reiseleiter führt uns zum Westufer, an dem die meisten und
bedeutendsten Skulpturengrotten liegen. Auf dem Zugangsweg herrscht
nicht das übliche Gedränge, auch laden die von
Sonnenschirmen und Bäumen beschatteten Steinbänke auf dem Rückweg
zum Verweilen ein. Die untersten Nischen liegen nur
wenige Meter oberhalb des Yi-Flusses. Der
Großteil der Buddhafiguren stammt noch aus der Wei-Dynastie.
Wie unser Reiseleiter anmerkt, herrschten in dieser Zeit
Hungersnöte, weshalb auch die
Buddha-Physiognomien meist ein schmales Gesicht auf dünnem
Hals zeigten. Mit den nachfolgenden wohlhabenderen Dynastien
würden die Physiognomien fülliger
und hätten die Figuren teilweise ein Doppelkinn oder gar einen
"Nudelbauch", wie ihn in Vollendung der Dickbauch-Buddha
Mile
Fo
vorweist, der vom 10. Jh. an in China populär wurde.
Während
viele kleine Buddhaskulpturen und -reliefs nicht einmal fingerlang
sind, erreicht die mächtigste in dem vom Tang-Kaiser Gaozong
und seiner Hauptfrau Wu
Zetian
gestifteten Tempel eine Höhe von 17 Metern. Die im Jahre 675
fertiggestellte Anlage ist zugleich die kunsthistorisch
bemerkenswerteste. Ihre zentrale Figur, ein die
Weltordnung personifizierender Locana-Buddha, soll bei
aller Stilisierung (etwa der Ohrläppchen)
physiognomisch stark Wu Zetian ähneln. Diese spätere
Regentin und einzige Kaiserin Chinas (von
690 bis 705) war zunächst Konkubine des Kaisers Taizong und zog
sich, wie für Konkubinen damals üblich, nach dessen
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