An
der Frühstückstafel stellt sich uns lautstark eine deutsche Person
als „Großmutter meines Enkelkinds” vor und beginnt sogleich
über den Mangel an Restaurants im Dorf zu klagen.
-Wir machen uns im Auto auf den ungefähr 200 km langen Weg nördlich
nach Coimbra, was auf den Landstraßen gut zweieinhalb
Stunden dauert. Ins Auge fallen die vielen neuen
Siedlungen, zumindest dieser Teil Portugals muß
im letzten Jahrzehnt ökonomisch gewaltig aufgeholt haben.
Sicherlich auch auf Kosten etlicher Eigenheiten,
so findet man hier und andernorts kaum noch Bauern mit
Schlägermützen, nicht zu reden von den
Scherenschleifern, Waschfrauen und Schuhputzvirtuosen,
die noch vor wenigen Jahren in Wenders’ ,Lisbon
Story’ (1994) zu sehen waren.
In
Coimbras Innenstadt ist allerdings städtebaulich noch einiges zu
tun. Wir passieren die Fakultätsgebäude für Medizin und
Naturwissenschaften, die wohl unter Salazar, der
hier einst eine Professur für Nationalökonomie hatte, errichtet
wurden. Und kommen endlich zu dem Juwel, dem alten
Universitätskomplex, der auf einer
Palastterrasse über der Stadt liegt. Vor der Bibliothek
schließen wir uns der Schlange der Wartenden an und werden
von einem Bibliothekar geführt, der ständig vom
Portugiesischen ins Französische
und Italienische wechselt. Gleichwohl sind einige Besucher
entrüstet, weil sie keine Erläuterungen
in englischer Sprache erhalten. Die Regale der
Bibliothek verlaufen auf zwei Stockwerken; fast ungehörig
ist der Pomp mit vergoldetem Schnitzwerk,
„exotischem Holz” und Deckenmalereien. Bis 1910 war Coimbra die
einzige Universität Portugals. Der Marquis
de Pombal, der wie Camões hier studiert hatte, ließ
nach seiner Entmachtung der Jesuiten Naturgeschichte
als neues Studienfach in Coimbra einführen.
In der angrenzenden Universitätskapelle
betont ein anderer Führer wiederholt, daß es die
traditionelle Verschränkung von Kirche
und Universität schon längst nicht mehr gebe. – Dieser
Universitätskomplex auf dem Standort eines
römischen Kastells ist bezaubernd, wirkt jedoch nicht so
quicklebendig wie sein spanisches
Pendant, die altehrwürdige Universität
von Salamanca.
Nach
einem Imbiß in der Stadt und einer Spende für eine hautkranke
Bettlerin nehmen wir den Rückweg über die Autobahn. In Fatima
halten wir bei den monströsen Anlagen der
Wallfahrtsbasilika. Hunderte sind noch vor dem Freiluft-Altar
versammelt, einige wenige rutschen vor ihm auf
den Knien entlang, etliche andere begnügen sich damit,
meterlange Kerzen zu entzünden und dort
abzustellen.
Auf der Rückfahrt geht uns auf, warum Portugal im EU-Bereich
das Land mit der relativ höchsten Zahl von Verkehrstoten ist. In der
Regel wird vernünftig gefahren, doch auf den Autobahnen
vernachlässigen viele auf schon idiotische Weise den
Sicherheitsabstand: Immer wieder sind da
Grüppchen von Autos zu sehen, in denen bei ca.
140-150 km/h kaum fünf Meter Abstand zueinander
gehalten wird! So kamen wir denn auch auf dieser kurzen
Strecke zweimal an frischen Auffahrunfällen vorbei.
– Und dann noch ein Nachklang aus den Zeiten der
Militärdiktatur, als wir beim Einbiegen nach Gradil
in eine Polizeikontrolle geraten, die dort
auch am nächsten Morgen noch halbversteckt auf der
Lauer liegt. Wer es nicht wüßte, müßte spätestens
jetzt vermuten, daß es in der Nähe einen
speziellen Sperrbezirk für jene Mafra-Militärs gibt.