Zu
Seiten der Autobahn nach Chengde erheben sich nach einiger Zeit
mächtige bewaldete Gebirgslandschaften. Die Bewaldung wird jedoch
bei der Annäherung an die Chinesische Mauer
merklich spärlicher. Schon bei ihrem Bau nämlich wurde für das
Brennen von Lehmziegeln viel
Wald abgeholzt, und
hinterher rodete man systematisch die umliegenden Wälder,
um dem heranrückenden Feind keine Deckung oder
auch nur verborgene Truppenansammlungen zu ermöglichen.
Seit Ende der 1970er Jahre werden diese und
andere Flächen Nordchinas unter dem programmatischen
Namen "Große
Grüne Mauer" wieder
massiv aufgeforstet, teilweise durch
Luftsaat aus Flugzeugen; auch ist jeder Bürger der Volksrepublik zur
jährlichen Anpflanzung von einigen Bäumen
verpflichtet und kann sich nur gegen
Ausgleichsgebühren davon befreien. - Auf unserem Weg
kommen wir wohl an hunderten von Hainen mit neu gepflanzten
Bäumen und Büschen vorbei. Der Erfolg dieser
Grünen Mauer ist freilich umstritten. Vor allem weiter im
Norden, von wo aus im Frühjahr Sandstürme öfter bis nach Beijing
vordringen, war die weitere Versteppung
nicht aufzuhalten.
Nach knapp 150
km auf dieser neuen Autobahn G101 zeichnen sich auf einer Bergkette
einige Wehrtürme
der GROSSEN MAUER
ab. Auf einer Nebenstraße fahren wir zuletzt auf Jinshanling
zu und machen uns vom Besucherzentrum aus zu Fuß auf den Weg zum
östlichen Haupttor (Zhuanduo).
Begonnen wurde mit
dem Bau des 10 km langen Abschnitts der Großen Mauer bei
Jinshanling 1368, noch im Jahr der
Vertreibung der mongolischen Yuan-Dynastie durch die Ming-Dynastie.
Nach 30 Jahren war er fertiggestellt und wurde um 1570 nach erneuten
Mongolenangriffen ausgebaut und verstärkt. Er gilt als die
besterhaltene und bautechnisch komplexeste aller
Mauersektionen. In dem hier stark gefalteten
Gebirge führt die Grenzbefestigung über Dutzende von
Bergkuppen und Tälern hinweg und wird von 67 Wach- oder
Wehrtürmen gesichert. Diese sind ungefähr
10 Meter hoch und in Gestalt und Ausstattung dem zu
verteidigenden Gelände angepaßt; die Mauer
selbst ist fünf bis acht Meter hoch.
Das
unserer Gruppe empfohlene Wegstück ist nur zwei, drei Kilometer
lang. Irgendwo hatte ich gelesen, daß die Chinesen nicht vom
"Wandern" auf der Mauer sprechen, sondern non
ihrem "Ersteigen". Und so ist es denn auch,
immer wieder haben wir unerwartet steile Stiegen
zu erklimmen
(Steigungen bis zu 70%!), auch sind die Treppenstufen
nicht selten ungefähr einen halben Meter
hoch. Ein Wechsel zwischen Ächzen, Stöhnen und heller Begeisterung!