Die
plötzlich bei uns aufschießende Kritik orientiert sich noch weithin
an externen Vorbildern, an Beiträgen, die aus anderen Schülerzeitung
abgedruckt wurden. Von auswärts kamen auch die beiden Schüler, die
im ‚Kreisel’
rasch den Ton angaben. Zunächst, aus
Düsseldorf, Wim Wenders,
der vermutlich einen bei uns abgedruckten anonymen Aufsatz
,Schulreform’
mit im Gepäck führte. Seine
Grafiken, Texte und vor allem Karikaturen,
die unter der Maske des Liebenswürdig-Verbindlichen eine deutliche
Sprache sprechen, verändern mit einem Schlage das Erscheinungsbild
unseres ‚Kreisels’.
Sodann, von „nr. 2” 1962 an, erscheinen die überwiegend
sarkastischen, im Tenor ungeduldigen bis höhnischen Beiträge meines
anderen neuen Klassenkameraden Gerd
Müller, der uns aber
wohl schon 1963 wieder verläßt.
Die Kritik wendet
sich nun zunehmend schulinternen Verhältnissen zu. Heft „nr. 3”
1962 bringt unter „schulnachrichten” den anonymen, vermutlich von
Wenders stammenden Hinweis: „Im Verbindungsflur zwischen
Biologieraum und Zeichensaal hängt schon seit Jahren ein Bild, das
sich eindeutig als Überbleibsel ‚nazistischer Kunst’
bezeichnen läßt. Vielleicht
könnte man dieses Bild durch ein anderes ersetzen”. Es war dies
das Gemälde eines die Scholle brechenden Bauern, das ich selbst
wiederholt als ‚Blut-und-Boden’-Produkt bespöttelt hatte. Den
alten Geist knöpft sich Wim auch in Heft 1/64 mit einer
Karikatur vor, die doppeldeutig ‚Auch
ein Stimmungsbild’ überschrieben
ist und das militärische
Begrüßungsritual für
den die Klasse betretenden Lehrer vor Augen führt. In
seinem Begleittext schreibt Wim: „das ist/ das Letzte: Achtung
durch ‚Aaaaaachtung’!/ Leises Gemurmel zieht durch den
‚Kasernengang’ ... / Doch, HORCH!!!/ Jemand brüllt:/ ‚Was ist
denn Subjekt, Du Armleuchter?’/ ‚Bis Du zu doof zu lesen?’”
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