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RUTH FLEIGS GALERIE
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HORST FLEIGS TEXTE:
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IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
Alt-Walsum 1951-53
OB-Holten 1953-55
OB-Sterkrade 1955-65
VI GERMANISTICA




Im Blitzlicht: Dr. Hans-Günther Siebert (geb. 1916) bei einem Festakt des von ihm
1965-78 geleiteten HERDER-Gymnasiums Minden (Foto 1967)

Quelle: http://stud3.tuwien.ac.at/~e9625624/nbilder/kopf_m_t.gif  www.mt.de/lokales/­minden/­10922117_­Min­de­ner_­Herder-Gym­na­si­um_­star­tet_­vor_­50_Jah­ren.html?em_index_page=3&set_style=0


Lehrpersonal und Fächer

 

LATEIN


Latein und nichts sonst gibt und von der Sexta bis zur Quarta unser Klassenlehrer Doktor Siebert, ein hagerer und nahezu kahlköpfiger Mann mit randloser Bril­le. Er ist um die vierzig, spricht leise, mit sachlich-ernster Miene und wird erst entschiedener, wenn er zugleich in eine wie vergnügliche, witzige und manchmal auch offen ironische Sprechweise fällt, um sich über uns zu beklagen. Sein Lieblingswort beim Tadeln ist „hanebüchen”. Immer wieder hält er uns mangelnden Fleiß vor und verweist dabei wiederholt auf die Schüler der deutschen Sowjetzone, die jetzt so unheimlich viel lernten und uns darum später ein­mal überlegen sein würden. Wir erfahren bald, dass er ein sogenannter Zonenflüchtling ist.

Laut seiner wie üblich inzwischen freigegebenen Personalakte wurde Herr Siebert im Juni 1943 Studienassessor an der Goetheschule in Dessau und zum Wehr­dienst eingezogen. Er promovierte noch 1943 über ‚Die fremdsprachlichen Ausdrücke im Werke Victor Hugos’. Vgl. diese Links zu der Aktenquelle und zur Dissertation von Herrn Siebert.

   Meine überaus misstrauische Mutter verdächtigte ihn Jahre später irgendwelcher Spionage, als er sich öfter mit dem Fahrrad bei uns am Bahnhof einfand und auf jemanden zu warten schien. Sicherlich lag es auch daran und nicht nur an seiner so ähnlichen Statur und seinen im Folgenden beschriebenen Tricks und Gebärden, dass Dr. Siebert für mich insgeheim zu einem nahen Verwandten des maschinenhaften Geistesmenschen Nick Knatterton wurde. Dies ging mir al­ler­dings erst bei einer genaueren Analyse dieses herumspionierenden Comic-Detektivs auf.


Bei blöden, auswendig zu lernenden Regeln bietet er uns in launiger Heiterkeit manchmal eine „Eselsbrücke” an und lässt uns eine solche Lernhilfe einmal so ein­drück­lich absingen, dass ich sie bis heute behalten habe: „a und ab, e ex und de, cum und sine, pro und prae: mit Ablativ” (die vier letzten Silben in Bass­la­ge). Seine Bemerkung: „Man muss nicht alles wissen, aber wissen, wo man es finden kann”, irritiert und erfreut mich dann, ist mir doch, als sollte sich die­ser Rat auch gegen den Paukunterricht richten, von dem selbst er uns nicht befreien kann. Einmal trägt er uns zur Erläuterung von „philosophus” die folgende De­fi­ni­ti­on vor: „Ein Philosoph ist ein Denker, der über das Denken nachdenkt.” Das klingt ja raffiniert! Es deutet auf einen Bereich weit jenseits all unserer Lern­stof­fe hin, etwas Geistiges, das bei ihm selbst zu verspüren ist, wenn es auch öfter spaßig erscheint oder so unbeholfen wie bei seiner Geste, uns mit dün­nen schwächlichen Bewegungen vorzumachen, wie die Römer mit ihren Schwertern hantiert hätten – wobei er uns wohl die Wendung „gladiis strictis” („mit ge­zück­ten Schwertern”) erklärt. Zeremoniell und ungekonnt zugleich kommen mir auch die Schläge vor, die er ausnahmsweise einmal austeilt, als er auf einem Schul­aus­flug in ein Wäldchen unseren Mitschüler Klaus Certa, der verbotenerweise einen Baum erklettert hatte, übers Knie legt.


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