Postskriptum
Gut
zwei Jahrzehnte nach dem Abitur stattete ich unserem letzten
Klassenlehrer „Egon” Hebel einen Besuch ab und überreichte ihm
dabei mein jüngstes Buch (1985 erschienen) über den
‚Literarischen Vampirismus’ Klingemans, über den Verfasser des
ersten „nihilistisch”-atheistischen Buchs der Moderne!
Das sollte wirklich keine provokative Geste sein, setzte aber in der
Sache ohne weiteres unsere damaligen Streitgespräche fort. Auch
glaubte mein Lehrer sich diesmal wieder mit sanftem Tadel gegen
eine religionskritische Bemerkung von mir verwahren zu müssen.
Ich
hatte mich nicht angemeldet, klingelte einfach an seiner Haustür und
brachte mich in Erinnerung. Er schien doch stärker erfreut als
überrascht zu sein und bemerkte beim Abschied, dass ein solch
unangemeldeter Besuch im Grunde das beste sei. Seine Frau versorgte
uns mit Kaffee und Kuchen und ließ uns dann allein. Er war seit
einigen Jahren pensioniert und hatte 1969-77
in Oberhausen-Osterfeld die erste Gesamtschule in NRW geleitet (vgl.
S. 13 der 2009 in Oberhausen erschienenen ‚Festschrift' der Schule).
Meinen
Ausführungen zum damaligen, mich besonders in der Unterstufe so
bedrückenden Sterkrader Schulleben widersprach er nicht und äußerte
sich auch nicht zu einzelnen Kollegen. Wie bald deutlich wurde,
konnte er sich an bestimmte Ereignisse in unserer Klasse und an meine
Mitschüler nur noch vage erinnern, hatte er es doch, wie er dann
selbst erklärte, seitdem mit hunderten anderer Schüler zu tun
gehabt. Aus meiner Klasse habe ihn seit dem Abitur nur noch Wim
Wenders wieder besucht, ungefähr zwei Jahre vor mir.
Wir
sprachen von gleich zu gleich. Und doch durchschwebte unser Gespräch
der Geist unseres alten Lehrer-Schüler-Verhältnisses – als
Respekt, den man nicht abschütteln möchte, weil er den eigenen
Freiheitssinn und auch den Großmut des anderen, ohne den er sich
nicht hätte entfalten können, in Erinnerung bewahrt hat.
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