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Leiden und Widerstreben eines Unterstufenschülers
Eines Nachmittags ist es dann so weit und muss ich lange bange Minuten durchstehen, als der Briefträger sich auf unser Haus hin vorarbeitet: Wie seit Tagen von mir befürchtet, liefert er bei uns einen Brief in grünlichem Umschlag ab, den berüchtigten „Blauen Brief”, der eine allerletzte Warnung vor der Nichtversetzung enthält. Ich weiß nicht mehr, wie meine Eltern es aufnahmen, nur, dass es relativ glimpflich ausging und ich auf dem Gymnasium bleiben durfte. Ich hätte es aber nur für gerecht gehalten, wäre ich sofort, wie Vater es mir schon öfter angedroht hatte, „in eine Lehre gesteckt” worden.
Womöglich war es der demonstrative Begleitbrief meines besonders schlechten Herbstzeugnisses 1957, das als einziges die Bemerkung enthält: „Die Versetzung ist sehr gefährdet!” Dieses arg zerknitterte Zeugnis wurde von meinen Eltern nicht unterschrieben. Vergaß mein Vater die Unterschrift, weil er bei seinem Anblick doch noch außer sich geriet? Oder hatte ich es den Eltern gar nicht erst vorgelegt?
Vermutlich im Frühjahr 1958 verabrede ich mit meinen Klassenkameraden Siegfried Brauer und Gerd Chmiel einen Fluchtversuch. Da wir uns diesmal ziemlich sicher sind, alle drei nicht versetzt zu werden, beschließen wir, an einem der folgenden Tage mit den Fahrrädern so weit wie möglich von zu Hause wegzufahren, irgendwohin gen Süden. Schon habe ich in meinen Rucksack oder Pfadfinder-„Affen” Sachen wie Taschenlampe, Messer und Kleidungsstücke verstaut, als Mutter ausgerechnet an diesem verabredeten Tag darauf besteht, mich zu einem Arzt zu bringen: Ich bin verzweifelt, sehe keine Möglichkeit, wie ich mich ihr noch rechtzeitig entziehen könnte!
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