Nach
gut achteinhalbstündiger Fahrt erreichen wir am Morgen unsere
Zwischenstation, die Siebenmillionenstadt
Zhengzhou.
Die umliegende Provinz galt dank der fruchtbaren Löserde des Gelben
Flusses lange Zeit als Kornkammer Chinas. Als hier 1938
Chiang Kai-sheks nationalchinesische Kuomintang im Kampf gegen
die japanischen Aggressoren ohne Warnung der
Zivilbevölkerung die Deiche des Gelben
Flusses sprengen ließ, kamen durch die Überflutung
und nachfolgende Hungersnöte annähernd eine
Millionen Menschen ums Leben.
Zum
Frühstück fährt man uns sogleich in ein Hotel, das auf solche
Transitgäste eingerichtet ist. Eine weitere Panne
mit unseren 27 Reisekoffern
hält uns danach längere Zeit im Hotel auf. Vorgestern morgen waren
sie in Beijing zwar als Frachtgut nach Zhengzhou aufgegeben
worden, man hatte aber vergessen, uns den Gepäckschein
zuzustellen oder auch die Koffer mit den nötigen
Begleitzetteln zu versehen. Sie werden daher
für den Abholdienst nicht freigegeben. Unser neuer Reiseleiter
läßt sich daraufhin aus Beijing ein Fax des
Gepäckscheins zusenden; doch wird dies Dokument ohne eine
zusätzliche Beglaubigung nicht akzeptiert, und auch gutes
Zureden und diskretere Beschleunigungstricks richten nichts
aus. So sitzen wir noch eine gute weitere Stunde
im Frühstückssaal oder erkunden derweil die Umgebung des
Hotels. Als auch danach außer neuen
Goodwill-Erklärungen immer noch nichts geschehen
ist, drängt die Gruppe darauf, mit dem Bus weiterzufahren
und die Koffer zu unserem Tagesziel Luoyang
weiterbefördern zu lassen. Denn auf halber Strecke wollen
die meisten von uns auf jeden Fall noch das Shaolin-Kloster
am Song Shan besuchen.
In der
Zwischenzeit habe ich das Photo von den gerade mit Sack und Pack
vorbeikommenden Wanderarbeitern
gemacht. Bis zu 250 Millionen
Arbeiter sollen gegenwärtig in China unter so miserablen
Arbeits- und Lebensbedingungen existieren. Meist
sind es landflüchtig gewordene Bauern, deren Grund und Boden
zu stark parzelliert wurde oder die für die Hergabe ihres
Landes zu industriellen Neugründungen
unfair entschädigt wurden. In Zhengzhou selbst
wurde 2007 einem Unternehmer und einigen korrupten
Beamten der Prozeß gemacht, die hunderte von
Wanderarbeitern durch Gangster einschüchtern
ließen und wie Sklaven an besonders
gefährlichen Arbeitsstellen
einsetzten. Nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise
von 2008, als ein Großteil der Wanderarbeiter
arbeitslos wurde und in die Dörfer zurückkehrte, hat die
Staatsregierung diesen sozialen
Sprengstoff erkannt und Konjunkturprogramme
aufgelegt, die insbesondere Chinas
Infrastrukur zugutekommen sollen.
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