Quellen: www.abload.de/img/1873y.jpg www.panoramio.com/photo/4263339 www.austin360.com/blogs/content/shared-gen/blogs/austin/outandabout/entries/2009/06/04/
Do. 17.8.:
Unser
heutiges Tagesziel ist Amarillo im Westen von Texas, doch sind wir in
den ersten Stunden wie schon für Wim Wenders' ‘Paris,
Texas’ einem weiteren großartigen Filmphantom auf der Spur. Es
ist dies „Anarene” alias Archer City, 1971
Schauplatz des Films ‘The Last Picture Show’
(‘Die letzte Vorstellung’) von Peter Bogdanovich.
Er spielt kurz vor dem Koreakrieg in einem
verstaubten texanischen Landstädtchen und hat dank der hier
aufwachsenden Jugendlichen doch so viel
überzeitliches Kolorit, daß er mir bei den
soeben abgeschlossenen Aufzeichnungen über meine
deutsche Nachkriegsjugend von Ferne als seelenverwandt
erschien. Wie wir vor Wochen lasen, soll das Kino am heutigen
Tage feierlich wiedereröffnet werden. So fahren wir denn
jetzt auf Wichita Falls zu, wo auch einige Filmszenen spielen,
und ungefähr 40km weiter südlich bis Archer City. Beide
haben wir sogleich den Eindruck, hier schon einmal gewesen zu
sein. Im Detail hat sich gegenüber dem Film alles geändert,
in der Substanz jedoch scheint der Ort, der schon im Film als
zeitentrückt gilt, weiterhin Bestand zu haben. Auch ist
es, wie wir später in der weiteren Umgebung registrieren,
wirklich eine typische texanische Kleinstadt, mit den
gleichen Gebäuden an der gleichen Straßenkreuzung
der Hauptstraße.
Von
der Hauptkreuzung mit ihren immer noch schaukelnden Ampeln her machen
wir sogleich das ,ROYAL’ aus, das Kino des Films, in dem die
Jugendlichen sich auch Howard Hawks ,Red
River'
ansehen. Es war schon 1965 abgebrannt, so daß Bogdanovich
dem Gebäude eine Kino-Fassade vorsetzte und die Kino-Szenen des
Films in einem Nachbarort drehte. Als wir ankommen,
arbeiten noch Männer mit Schweißgeräten in dem
Gebäude, das nun nicht mehr als Kino, sondern als Event-Theater
wiedereröffnet wird. Wir schauen uns drinnen ein
wenig um und gehen dann zurück zu unserem an der Straßenkreuzung
abgestellten Mietwagen.
In
dem danebenliegenden Laden für Geschenkartikel kommen wir mit der
Inhaberin ins Gespräch, die nach dem 2. Weltkrieg aus Holland
hierhin übersiedelte. Wie im Film müsse man immer noch wegen jeder
Kleinigkeit bis nach Wichita Falls fahren. Von den
Hauptdarstellern des Films und seiner - mißratenen - Fortsetzung
,Texasville’
(1990)
hätte sich bislang noch keiner hier für das heute
abend und morgen stattfindende Festival angekündigt.
Sie erzählt uns auch von Larry McMurtry, dem Verfasser
des Romans ,The
Last Picture Show',
der zusammen mit Bogdanovich das Drehbuch schrieb. Er wuchs
unweit von Archer City auf einer Ranch auf und wohnt
seit langem hier. Wir schauen uns zuletzt in einem der vier Gebäude
seines Antiquariats um, das gut 300.000 Bücher
bereithält! Personal und eine Kasse gibt es nur in dem
Hauptgebäude, so daß die Käufer meist mit dem
Buch in der Hand die Straße überqueren müssen. Von den Einwohnern
freilich sollen sich nur wenige in diesem
Bücherreich blicken lassen. Viele sahen ihr Städtchen durch den
Film schwer in Verruf gebracht und lehnen den
Pulitzer-Preisträger McMurtry offenbar noch heute ab. Ihm wiederum
kommen diese Leute mittlerweile wie „aliens”
vor.
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