Wie
Munro das geschätzte Buch so innig an sich drückt, deutet schon auf
sein Ende hin, den Schuß direkt in sein Herz. In der folgenden
Sturmnacht fährt er mit den Fingern behutsam an einer
Kinderzeichnung entlang, die ein Herz im Herzen zeigt; und fährt
erneut über seine Herzgegend hin, wenn er drüben Gordon gestehen
muß, daß sein eigener Inszenierungsstil
mittlerweile zur Routine erstarrt sei: „Jetzt weiß ich, wie das
Erzählen geht. Unweigerlich läuft den Geschichten das Leben
aus, und sie sind tot. Unweigerlich tot.” (1:49:03-1:50:15) Zu
diesen und weiteren Zeichen des Scheiterns und Untergangs
gehören auch Annas Verhängen des Spiegels, der nächtliche
Anblick des riesigen Hotelschwimmbads, an dessen Flanke wieder
einmal ein Brecher hereinschlägt, oder auch Munros Metapher: „Die
Sonne sah ich sinken – wie ein Schiff”. Und der jämmerlichste,
um so tiefer berührende Anblick eines Flugzeugs bei Wim Wenders: ein
Nachtflugzeug mit Munro an Bord, das winzig wie ein Insekt links
von der Mondsichel am Bildrand hochkrabbelt (1:20:10-14).
III.
,The Survivors’ als apokalyptischer Film im Film
In Los
Angeles wird Munros Mietwagen, den er vor dem Hochhaus mit dem Büro
von Gordons Sekretärin in einer streifenförmig
markierten Parkbucht abgestellt hat, bald von einem Cabrio umkreist.
Und wenig später inszeniert Wim Wenders eine der
filmgeschichtlich subtilsten Sequenzen für jemandes Todesnähe
und -verfallenheit, am Hollywood Boulevard selbstverständlich,
wo Munro sich mit Dennis’ Freundin verabredete, „nur eine
Autostunde entfernt ... von dem Ort, an dem Murnau zu Tode gekommen
ist” (so der Kommentar von Wenders).5
Zuerst tritt hier Friedrich alias „Fritz” Munro auf das wie ein
Grabmonument eingelassene fünfzackige
Regisseurs-Sternchen seines zweiten Namensvetters, seines in
Hollywood künstlerisch weithin aufgeriebenen
Vorgängers Fritz Lang. Nach dem Schnitt sitzt er wartend im Auto und
blickt nach einem Mädchen hin, das zwischen den Parkstreifen
auf Rollschuhspitzen rückwärts einhertänzelt und mit Zopf und
flatterndem weißen Schal sowohl seiner Tochter Julia
in ,The
Survivors’
als auch Debbie in ,The
Searchers’
ähnelt.
Derweil erklingt
ein Glockenspiel (mit dem Big-Ben-Motiv) und ist im linken
Rückspiegel seines Autos wie ein Kreuz der obere Teil eines
Telegraphenmastes zu sehen. Der Gegenschuß
auf Munro zeigt, daß er die Augen kaum noch offen zu halten vermag
und daß sein Kopf dann beim letztem Schlag des Glockenspiels zurück
gegen die Lehne fällt. Der letzte Schlag dürfte auf die später
von Gordon zitierte Szene in Fritz Langs ,Der
müde Tod’ anspielen
(vgl. weiter unten S.
18).
*
Den
Zeichen des Untergangs entgegen stehen die Zeichen des erfolgreichen
Überlebenskampfes, die zu dem Motiv der Unverwundbarkeit
der „Survivors”
gehören und sich als
Glanz oder Licht in ihren Augen manifestieren. Dieses Motiv ist aber
um keinen Deut hoffnungsreicher, entpuppt es sich doch als
Prinzip einer Rücksichtslosigkeit, die Menschen opfert und den
Überlebenden zu einem Wesen ohne Mitgefühl werden
läßt. So schon in Allan Dwans Film ,The
Most Dangerous Man Alive’ (1961),
von dem ja ,The
Survivors’ ein
Remake werden soll. Der Held in Dwans B-Picture ist ein
ausgebrochener rachedurstiger
Gangster, der auf der Flucht durch die Wüste bei einem
Kobalt-Atombombenversuch kontaminiert wird und sich sukzessive
in ein Wesen aus Stahl verwandelt. Zuerst verschmelzen seine
Handschellen mit seinem Körper, dann absorbiert er alles
Metallene (Pistolenkugeln inclusive) und verliert auf seiner
mörderischen Bahn auch jedes menschliche Empfinden.
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