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I  Philosophica
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III Zu Wim Wenders
Der Stand der Dinge
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IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen



1:23:22

1:28:14

Wie Munro das geschätzte Buch so innig an sich drückt, deutet schon auf sein Ende hin, den Schuß direkt in sein Herz. In der folgenden Sturmnacht fährt er mit den Fingern behutsam an einer Kinderzeichnung entlang, die ein Herz im Herzen zeigt; und fährt erneut über seine Herzgegend hin, wenn er drüben Gordon gestehen muß, daß sein eigener In­sze­nie­rungs­stil mittlerweile zur Routine erstarrt sei: „Jetzt weiß ich, wie das Erzählen geht. Unweigerlich läuft den Geschichten das Le­ben aus, und sie sind tot. Unweigerlich tot.” (1:49:03-1:50:15) Zu die­sen und weiteren Zeichen des Scheiterns und Un­ter­gangs ge­hö­ren auch Annas Verhängen des Spiegels, der nächtliche Anblick des riesigen Hotelschwimmbads, an dessen Flan­ke wie­der einmal ein Brecher hereinschlägt, oder auch Munros Metapher: „Die Sonne sah ich sinken – wie ein Schiff”. Und der jäm­mer­lich­ste, um so tiefer berührende Anblick eines Flugzeugs bei Wim Wenders: ein Nachtflugzeug mit Munro an Bord, das win­zig wie ein Insekt links von der Mondsichel am Bildrand hochkrabbelt (1:20:10-14).



III.  ,The Survivors’ als apokalyptischer Film im Film



In Los Angeles wird Munros Mietwagen, den er vor dem Hochhaus mit dem Büro von Gor­dons Sekretärin in einer strei­fen­för­mig markierten Parkbucht abgestellt hat, bald von einem Cabrio umkreist. Und wenig später inszeniert Wim Wenders ei­ne der filmgeschichtlich sub­tilsten Sequenzen für jemandes Todesnähe und -verfallenheit, am Hollywood Boulevard selbst­ver­ständ­lich, wo Munro sich mit Dennis’ Freundin verabredete, „nur eine Autostunde entfernt ... von dem Ort, an dem Murnau zu Tode gekommen ist” (so der Kommentar von Wenders).5 Zuerst tritt hier Friedrich alias „Fritz” Munro auf das wie ein Grab­mo­nu­ment einge­lassene fünfzackige Regisseurs-Sternchen seines zweiten Namensvetters, seines in Hol­lywood künst­le­risch weithin aufgeriebenen Vorgängers Fritz Lang. Nach dem Schnitt sitzt er wartend im Auto und blickt nach einem Mäd­chen hin, das zwischen den Parkstreifen auf Rollschuhspitzen rückwärts einhertänzelt und mit Zopf und flat­tern­dem wei­ßen Schal sowohl seiner Tochter Julia in ,The Survivors’ als auch Debbie in ,The Searchers’ ähnelt. Derweil er­klingt ein Glo­cken­spiel (mit dem Big-Ben-Motiv) und ist im linken Rückspiegel seines Autos wie ein Kreuz der obere Teil eines Te­le­gra­phen­ma­stes zu sehen. Der Gegenschuß auf Munro zeigt, daß er die Augen kaum noch offen zu halten ver­mag und daß sein Kopf dann beim letztem Schlag des Glockenspiels zurück gegen die Lehne fällt. Der letzte Schlag dürfte auf die spä­ter von Gor­don zitierte Szene in Fritz Langs ,Der müde Tod’ anspielen (vgl. weiter unten S. 18).



*



Den Zeichen des Untergangs entgegen stehen die Zeichen des erfolgreichen Überlebenskamp­fes, die zu dem Motiv der Un­ver­wund­bar­keit der Survivors” gehören und sich als Glanz oder Licht in ihren Augen manifestieren. Dieses Motiv ist aber um kei­nen Deut hoffnungsreicher, entpuppt es sich doch als Prinzip einer Rücksichtslosigkeit, die Menschen opfert und den Über­le­ben­den zu einem Wesen ohne Mitgefühl werden läßt. So schon in Allan Dwans Film ,The Most Dangerous Man Alive’ (1961), von dem ja ,The Survivors’ ein Remake werden soll. Der Held in Dwans B-Picture ist ein aus­ge­bro­che­ner ra­che­dur­sti­ger Gangster, der auf der Flucht durch die Wüste bei einem Kobalt-Atombombenversuch kontaminiert wird und sich suk­zes­si­ve in ein Wesen aus Stahl verwandelt. Zuerst verschmelzen seine Handschellen mit seinem Körper, dann ab­sor­biert er alles Metallene (Pistolenkugeln inclusive) und verliert auf seiner mörderischen Bahn auch jedes mensch­li­che Emp­fin­den.


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