Gewiß,
dies sind Formulierungen meines Mitschülers, und doch
dokumentieren sie einen klösterlichen
Anachronismus, der nur zu gut zu den öfter zu
vernehmenden Beschwörungen
eines christlich-abendländischen Kulturauftrags
paßte und der, entgegen dem pauschalen Hilfsangebot,
kraß versagen mußte, wenn einmal so
außergewöhnliche Schüler wie die
erwähnten beiden Ausreißer Lutz und Maas,
die dann von der Schule verwiesen wurden, ihrer geistigen
Unbotmäßigkeit wegen in Schwierigkeiten
geraten waren. Weit schlimmer aber war die
anonyme, nur in späteren Statistiken
bekannt gewordene Vertreibung
hunderter von Schülern
von unserem Gymnasium. Der Terror
der Notengebung
überzog besonders die Unter- und Mittelstufe derart
epidemisch mit „mangelhaften” und
„ungenügenden” Zensuren, daß in
manchem Jahr jeder fünfte oder vierte einer Klasse
verlorenging. Ich entsinne mich noch, wie
ich (laut Tagebuch am 9.12.64) einen ‚Spiegel’-Artikel
las, der unserer Schule unter allen deutschen
Gymnasien einen Spitzenplatz bei der
„Sitzenbleiber”-Quote nachwies und speziell von meiner
ehemaligen „Sexta a” berichtete,
daß von
ihren einst 33 Schülern nur noch ein einziger,
ohne eine Klasse wiederholt zu haben, sich zur Zeit in Sterkrade
auf das Abitur vorbereite. - Der Artikel findet
sich inzwischen auch im Internet
(www.spiegel.de/spiegel/print/d-46176317.html).
Über
dem Beitrag von Udo Buhren ist eine auf den ersten Blick
respektvolle Porträtzeichnung
von Wim Wenders plaziert. Sie zeigt Herrn Dr. Lorenz
überlebensgroß, als pädagogische Justitia, die in
der Rechten unsere Schule und in der Linken ihre
Waagschale parat hält. In der Gestaltung der
Waagschale dieses Gerechten kann man freilich auch das
tendenziöse christliche Kreuz erblicken. Und
wenig Erfreuliches mag einem die Physiognomie des
damals 50jährigen verheißen, eine Art
Totenschädel mit annähernd mumienhaften
Zügen, geschmückt von einem pedantisch knappen
Haarschnitt. Zusammen mit dem überenergischem
Kinn und dem hinweggewandten Blick ist dies die
Schreckgestalt
eines Pädagogen,
eben die eines Totenrichters, der trotz seiner
akkuraten Lachfältchen die Existenzen
massenhaft aburteilt. Doch kann man nicht in
seinen Zügen noch einen Mitleid erregend
strebsamen Sextaner erkennen?
Zum
Auftreten unseres Direktors bei den Abiturprüfungen vgl. S.
66.
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