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Klosterschule Roßleben



Dr. Otto Lorenz (*1911)

Quellen: www.verein-klosterschule.de/   ‘Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums’ (Oberhausen 2005, S. 48)


Unser Schuldirektor

 

 

Unser Direx hat mich nie unterrichtet. Mag sein, daß er ein- oder zwei­mal eine Vertretungsstunde bei uns gab, doch wech­sel­te ich mei­nes Wis­sens in all den Jah­ren kein Wort mit ihm und hatte auch nicht das Ge­fühl, daß er von meiner Exi­stenz ge­wußt hät­te. Ich sel­ber weiß wenig über ihn. Nach der Schul­an­mel­dung erzählt mir Mutter, daß der Direktor noch recht jung und neu an die­se Schule ge­kom­men sei. Nur selten bekomme ich ihn dann zu Gesicht. Meist scheint er sich in dem hinter un­se­rem „Se­kre­ta­ri­at” g­elegenen Zimmer auf­zu­hal­ten und ist nur gelegentlich beim mittäglichen Ver­las­sen des Schul­ge­bäu­des zu er­bli­cken. Gruß­los eilt er vor­über und hält nur an, um ei­nen von uns, den er in ei­ner Flur­ecke beim Spie­len über­rascht, knapp und scharf zu ta­deln. Von Zeit zu Zeit droht ein auf­ge­brach­ter Leh­rer, den Stö­ren­fried beim näch­sten Mal zum Direktor zu schi­cken, läßt es dann aber in der Regel lie­ber blei­ben. Herr Dr. Lo­renz wohnt in ei­nem Neu­bau gleich bei der klei­nen Kir­che, in der un­ser evangeli­scher Schul­got­tes­dienst statt­fin­det. Re­gel­mä­ßig sitzt er dort in der er­sten Rei­he und hält bei ei­ner Ge­le­gen­heit so­gar die Pre­digt. Oder ist es nur ei­ne An­spra­che von der Kanzel herab?


Der unsere Anstalt prägende religiöse Hintergrund ging mir erst in der Mittel­- und Oberstufe auf. So an der par­tei­ischen Text­aus­wahl un­se­res Eng­lischlehrers Dr. Börgers, der einer ka­tho­li­schen Verbindung angehörte, einem Mit­schü­ler ernst­lich mit dem „In­dex” der ver­bo­te­nen Bü­cher kam und sich eine Zeitlang als Zensor ali­as „Be­ra­tungs­leh­rer” un­se­rer Schülerzeit­schrift be­tä­ti­gen konn­te. Auch sah ich zu mei­nem Be­frem­den, daß ei­ni­ge ka­tho­li­sche Mit­schü­ler noch in der Oberstufe sich mit dem Ascher­mitt­wochs­kreuz auf der Stirn zum Un­ter­richt ein­fan­den. Den päd­ago­gi­schen Werdegang unseres pro­te­stan­ti­schen Di­rek­tors skiz­zier­te einer mei­ner Mit­schü­ler in un­se­rer Schü­ler­zeit­schrift (Nr. 1/1962) wie folgt: Das Abitur ha­be „un­ser ‚Chef’”, in des­sen schle­si­scher Fa­mi­lie der Leh­rer­be­ruf schon seit sechs Ge­ne­ra­ti­o­nen ausgeübt werde, als noch 17-jä­h­­ri­ger ge­macht; nach seiner „pä­da­go­gi­schen Prü­fung” 1938 sei er In­ter­nats­lehrer geworden und im sel­ben Jahr, mit 27, „Leh­rer und Er­zie­her an der tra­­di­t­ions­rei­chen Klosterschule in Roß­le­ben” (un­weit Weimar). „Aus der Klo­ster­schule ... in der er acht Jah­re lebte, hat unser Di­rek­­tor seine Ein­stel­lung zur SMV <Schü­ler­mit­ver­wal­tung> mit­ge­bracht ... Oh­ne sie wä­re das In­ter­nats­le­ben kaum denk­bar gewesen. Sie ar­bei­te­te gut mit der Leh­rer­schaft zu­sam­­men. Auf die gleiche na­tür­liche Wei­se soll sich die SMV an un­se­rer Schu­le ent­wickeln, oh­ne Zwang. Die Lehrer sind be­­­reit, je­de Hil­fe zu leisten, die von den Schü­lern ge­wünscht wird.”


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