Quellen: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Delphi_Kastalische_Quelle.jpg http://image46.webshots.com/47/6/73/68/359467368AaiHoE_fs.jpg
Nach
ungefähr zwei Fahrtstunden auf den Parnassós zu nähern wir
uns Delphi, zuletzt auf einer Berghangstraße. In einer
kleinen Schlucht, gleich bei einem Straßenknick, liegt an zwei
hier zusammentreffenden Gebirgszügen die Kastalische Quelle,
an der sich die Pilger vor der Orakelverkündigung
einer rituellen Reinigung unterzogen. Seit einigen Jahren
ist sie wegen Steinschlags nicht mehr zugänglich. Die Lage ist
phantastisch; schräg oberhalb schimmert das
Apollon-Heiligtum durch, etwas unterhalb erblickt man ein
Gymnasion und ein halb verborgenes kleines
Athena-Heiligtum und dahinter, getrennt durch die
tiefe Schlucht des Flusses Pleistos, erhebt sich Delphi gegenüber
der Gebirgskamm des Kirfi.
Unser etwas
oberhalb des Dorfes liegendes Hotel „Amalia” vereint den Charmes
eines Gebirgshotels mit dem einer Jugendherberge. Wir
machen zuerst einen Spaziergang auf dem von Ruinenstücken
gesäumten kleinen Weg direkt unterhalb des eingezäunten
Apollon-Heiligtums. Die am Wegesrand abgestellten Relikte
(Tempelfragmente meist) sind nicht sonderlich gesichert. -
Danach fahren wir einige Kilometer weiter zu einer Stelle,
von wo aus man bis zum Golf von Korinth hinuntersehen kann. Von
hier bis dort, beinahe 10 km tief, liegen die größten
Olivenhain-Plantagen Griechenlands. In der Ferne
werden auf Dorfstraßen Schafe von Hunden in die Runde getrieben (ein
Training für einen Schäferwettbewerb?). –
Beim Durchlaufen des Dorfes Delphi stoßen wir auf ein Denkmal mit
der offenherzigen Inschrift „Die Delphier danken ihren
Vorfahren”. Tatsächlich erhielt das Dorf
seinen Namen erst im Zusammenhang mit der Ausgrabung des Heiligtums;
ein Vorgängerdorf namens Kastrí lag genau
über dem Apollontempel und mußte verlegt werden. – Zu Abend
essen wir in einem Restaurant mit Aussicht in die
gegenüberliegenden Berghänge und
Schluchten. Als Vorspeise gibt es natürlich köstliche
Oliven.
Als
wir später im Dunkeln auf unserem Hotelbalkon dasitzen, rasen
plötzlich zwei weiße Tiere wieselgleich über den Rasen und
scheinen zu spielen. Plötzlich quiekt es laut auf und jagt
danach nur noch ein Tier davon! Nach einiger Zeit kommt ein feiner
kräftiger Windstrom auf, der von den Gebirgshöhen
hinter uns herunterzufallen scheint. Tags darauf lese ich in einem
Buch des „Delphi-Museums”, daß hier der Wind aus den
„unzähligen Rissen und Spalten der Kalk-
und Schiefergebirge” heransaust und daß
einstmals auch „der Dunst aus dem sogenannten Chasm, aus der Kluft,
herausbrach”. Das stimmt ja alles wunderlich zum Namen
„Delphi”, der sich von „delphos” (δελφός
= Schoß, Gebärmutter)
herleitet, was sich hier auf die Orakelstätte in der
Erdspalte bezieht; und ebenso auf die Erdmutter Gaia, deren
Kultstätte Apollon übernahm, als er ihr Kind erschlug,
den (geflügelten) Drachen Python, dessen Gabe der Weissagung auf
Apollons Pythia überging. Vor Jahren kam übrigens eine
Debatte auf, ob Ethylen- oder eher
Kohlendioxyd-Anteile in den aus der Felsspalte aufsteigenden
Dämpfen die Pythia in Trance versetzten.
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